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Quereinsteiger gesucht

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Fachartikel, Zahnmedizin

Implantologie

mg° dental

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6 MIN

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In bestimmten Situationen kann es notwendig sein, eine ungünstige Implantatangulation auszugleichen. Im vorliegenden Artikel steht ein interessanter Patientenfall im Fokus, bei dem die schräge Verschraubung durch einen abgewinkelten Schraubenkanal unverzichtbar für das Erreichen eines ästhetisch-funktionell optimalen Ergebnisses war. Die zahntechnische Umsetzung erfolgte durch Ztm. Stefan Picha.

Die Planung der Implantatposition im Kiefer kann oftmals einen Balanceakt darstellen. Im Idealfall lassen sich die biologisch-anatomischen Parameter mit den prothetischen Gegebenheiten – wie der angestrebten Zahnform und -stellung – vereinen. Hierbei schafft die prothetische Orientierung von Implantatposition und -achsausrichtung eine wichtige Voraussetzung für die langzeitstabile implantatprothetische Versorgung. Doch nicht immer sind ideale Bedingungen gegeben. Das Positionieren eines Implantats, auf welchem das Abutment verschraubt werden soll, kann bei schwierigen anatomischen Gegebenheiten eine echte Herausforderung sein. In solchen Situationen sind Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal eine adäquate Lösung. Diese Abutments bieten die Möglichkeit, den Schraubenkanalaustritt – bis zu einem gewissen Maße – den klinischen Gegebenheiten anzupassen. So kann der Schraubenkanal idealisiert werden, ohne die Anforderungen an das Abutmentdesign, zum Beispiel biomechanische Parameter, außer Acht zu lassen. Die Grundlagen hierfür wurden im vorangegangenen Artikel in teamwork näher beschrieben [1] ebenso wie die Funktionalität von Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal. In diesem Artikel steht eine Indikation im Fokus, die sich im Praxisalltag oft als problematisch darstellt.

Patientenfall
Ausgangssituation
Der Patient, selbst Mediziner, konsultierte die Zahnarztpraxis nach der Extraktion des Zahns 14 durch seinen Hauszahnarzt. Geplant war eine implantologische Versorgung mit anschließender prothetischer Restauration. Der Patient betonte, dass er einen Kieferhöhlenaufbau auf jeden Fall umgehen möchte. Herausforderung war zudem die schmale Lücke regio 14. Der benachbarte Zahn 15 hatte einen Lockerungsgrad 1 und war in einem Winkel von etwa 90° gedreht. Zugleich war die Wurzel des mesialen Nachbarzahns 13 stark nach distal anguliert. Daraus resultierte das extrem eingeschränkte Platzangebot in regio 14 – eine Limitation für die Insertion des Implantats beziehungsweise die zufriedenstellende Versorgung der Lücke.

Therapieentscheidung
Die Situation wurde anhand des dreidimensionalen Bildes (DVT/CT) mit dem Patienten besprochen und die Therapie­möglichkeiten wurden erörtert. Die Entscheidung fiel auf die Extraktion des fühl- und sichtbar gelockerten Zahns 15 und die Insertion von zwei Implantaten in regio 14/15. Die Implantate sollten anatomisch dreidimensional orientiert ohne Perforation der Kieferhöhle beziehungsweise ohne einen Kieferhöhlenaufbau inseriert werden. Die prothetische Planung sah vor, die daraus resultierend ungünstige Achsneigung der Implantate über ein anguliertes Verschrauben der Hybridabutments (Variobase AL, Straumann) auszugleichen. Durch die Abwinkelung des Schraubenkanals können in vielen Fällen ästhetische und funktionelle Kompromisse umgangen werden [1]. Das Verschrauben erfolgt auf Implantatniveau; der Schraubenkanalaustritt wird auf einen ästhetisch und funktionell günstigen Bereich ausgerichtet, zum Beispiel die Palatinal- oder Okklusalfläche.

Implantatplanung und chirurgischer Eingriff
Bereits bei der digitalen Planung der Implantatpositionen regio 14/15 in der 3D-Software (coDiagnostiX, Straumann) wurde die Möglichkeit der angulierten Schraubenkanäle visualisiert. Die Planung der Implantatpositionen erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Dentallabor und mit dem digitalen Planungsservice (Smile in a Box, Straumann). Hierfür wurden die Patienteninformationen inklusive des Bildes der DVT versendet und basierend auf dem Planungsvorschlag die definitiven Implantatpositionen festgelegt. Die Implantate regio 14 /15 konnten navigiert mit einer Bohrschablone (Straumann Guided Surgery) – wie in der Software geplant – in den vorhandenen ortsständigen Knochen an der Kieferhöhle vorbei positioniert werden. Der daraus resultierende prothetisch ungünstige Implantataustritt wurde über die gewinkelten Aufbauten ausgeglichen (Abb. 1 bis 5).

Am Tag des chirurgischen Eingriffs wurde unter Lokalanästhesie der Zahn 15 schonend extrahiert und der Knochen im Implantationsareal dargestellt. Die bukkale Lamelle blieb intakt, sodass eine Sofortimplantation mit relativ hoher Sicherheit möglich war. Die Insertion der Implantate (Roxolid SLActive Implantate, Bone Level Tapered, ø 4,1, Länge 10?mm) erfolgte mit der Bohrschablone entsprechend der Implantatplanung. Abschließend wurde der gesamte Bereich regio 14/15 vestibulär mit einem Gemisch aus kortiko-spongiösem Knochenaufbau-Granulat (maxgraft, Straumann) und einem Knochenersatzmaterial ummantelt sowie mit einer Membran abgedeckt. Es folgte die viermonatige Einheilzeit.

Freilegung und prothetische Versorgung
Nach der Einheilphase konnten die Implantate mithilfe einer Schleimhautplastik freigelegt werden. Hierfür wurde atraumatisch ein Mukosalappen in regio 14/15 präpariert. Der mobilisierte Lappen wurde im Sinne einer bukkalen Verschiebeplastik nach vestibulär verlagert und um die Gingivaformer vernäht. Ziel dieses Vorgehens war eine Weichgewebeverdickung, um mit der provisorischen Versorgung einen optimalen Implantataustritt ausformen zu können. Vier Wochen später erfolgte das Entfernen der Nähte. Die Situation wurde über eine offene Abformung fixiert sowie an das Dentallabor übermittelt (Abb.6 bis 8). Im Labor erfolgte die Herstellung eines Langzeitprovisoriums aus Komposit mit ideal gestaltetem Emergenzprofil (Abb.9 bis 14). Das Provisorium wurde im Mund verschraubt und die Schraubenkanäle mit Teflonband und Komposit verschlossen.

Während der folgenden vier Monate formte sich das periimplantäre Weichgewebe aus. Das so optimierte Emergenzprofil wurde vor der definitiven Rekonstruktion mithilfe von individualisierten Abformpfosten auf das Meistermodell übertragen (Abb.15 bis 17). Mit dem mittels eines lichthärtenden, dünnfließenden Kunststoffs adaptierten Abformpfosten konnte das Weichgewebe während der definitiven Implantatabformung gestützt und die intraorale Situation an das Dentallabor übertragen werden. Hier wurden ein Modell mit abnehmbarer Gingivamaske hergestellt und basierend darauf die vollkeramischen Restaurationen angefertigt. Bei der zum Implantat passenden Klebebasis (Vario­base AL) kann der Schraubenkanal entsprechend den spezifischen Gegebenheiten angepasst und bis zu 25° abgewinkelt werden (Abb.18 bis 20). Dies ermöglichte auch in diesem Fall eine Idealisierung des Schraubenaustritts in den okklusalen Bereich der Kronen (keine ästhetischen Einschränkungen und ausreichende Stabilität). Eine Rohbrand-Einprobe bestätigte die optimale funktionelle und ästhetische Gestaltung der Kronen, sodass einer finalen Fertigstellung nichts im Wege stand (Abb.21 bis 23).