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Verhaltensänderung ist ein Prozess

Prof. Koula Asimakopoulou auf der Europerio11

Verhaltensänderung ist ein Prozess

Events , Zahnmedizin

Prävention & Zahnerhalt

mg° dental

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7 MIN

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„Nutzen Sie jede Gelegenheit, Ihre Patienten zu motivieren, sich gesünder zu verhalten“ – Eine verbesserte Mundhygiene und andere gesundheitsfördernde Gewohnheiten lassen sich in drei Schritten erreichen. Welche das sind, zeigten eine renommierte Verhaltensforscherin und ein weltbekannter Parodontologe auf der EuroPerio 11 im Mai 2025 in Wien.

Patienten zu Verhaltensänderungen zu bewegen, ist nicht einfach. Wer die sich im Praxisalltag bietenden Möglichkeiten nutzt und Schritt für Schritt vorgeht, kann aber viel erreichen. Psychologische Grundlagen und den aktuellen Wissensstand dazu erläuterte Koula Asimakopoulou (Oxford Brookes University) im Rahmen einer von Philips Oral Healthcare organisierten wissenschaftlichen Sitzung auf der EuroPerio (s. Bild – (c) Dr. Jan Koch). Sie ist Professorin für medizinische Psychologie und Motivationsforschung und arbeitet schwerpunktmäßig mit Zahnmedizinern und Prophylaxe-Fachkräften zusammen. Erfolgreiche Konzepte umfassen folgende Bausteine:

  1. Realistische Zielsetzung
  2. Den Weg zum Ziel planen, umsetzen und begleiten
  3. Rückmeldung geben

„Worüber sollen wir heute sprechen?“

Erfolgsentscheidend ist laut Asimakopoulou, zunächst gut über das bestehende Problem zu informieren, zum Beispiel eine bestehende Gingivitis. Das Ziel sollte der Patient nach Möglichkeit selbst bestimmen. Themen sind beispielsweise, zweimal täglich mit einer elektrischen Zahnbürste zu putzen und die Interdentalräume zu reinigen, eine gesunde Ernährung oder die Rauchentwöhnung. Der Weg zum Ziel wird nach der verfügbaren, individuellen Patientenkapazität gemeinsam geplant und so konkret wie möglich festgelegt, einschließlich einem „Plan B“:

  • Welche Probleme könnte es geben und was kann getan werden?
  • Wie werden Zwischenziele durch Patienten selbst kontrolliert? (zum Beispiel durch Checklisten oder Zahnbürsten-Apps)

„Rennen mit Babyschritten gewinnen“

Machen Patienten keine Fortschritte, empfiehlt Asimakopoulou, keinesfalls negative Rückmeldungen zu geben: „Informieren Sie darüber, dass viele Menschen Schwierigkeiten mit ihrer Mundhygiene oder Risikofaktoren haben und schauen Sie gemeinsam, wo diese konkret liegen. Verhaltensänderung ist ein Prozess und das Rennen wird mit Babyschritten gewonnen.“

Asimakopoulou machte das Prinzip an ihrem eigenen Plan deutlich – einen Marathon in Kanada zu laufen: „Beginnen Sie mit einer täglichen Runde um Ihren Wohnblock oder durch Ihre Nachbarschaft. Steigern Sie auf zwei Runden. Wenn Sie das überlebt haben, laufen Sie drei Runden und so weiter.“ Die Verhaltensforscherin erreichte ihr Ziel und lief den Marathon. Wie auch Prophylaxe-Experten aus ihrer täglichen Arbeit wissen, reicht es aber nicht aus, Patienten zu erklären, was gut für sie ist. Daneben sind nach dem Stand der aktuellen Forschung weitere zentrale Punkte zu beachten [1,2]:

  • Patienten müssen ausreichend motiviert sein …
  • in der Lage sein, das Ziel zu erreichen (zum Beispiel aufgrund ihrer manuellen Geschicklichkeit) und …
  • die Möglichkeit haben, die definierten Maßnahmen umzusetzen (zeitliche und finanzielle Ressourcen?)

Erfolg wissenschaftlich belegt

Dass sich das Konzept auch in der Prävention oraler Erkrankungen realisieren lässt, zeigen systematische Übersichten und Studien aus Asimakopoulous Arbeitsgruppe [3-5]. Für eine erfolgreiche Prävention muss also beachtet werden, was Patienten benötigen und wünschen, zusammengefasst unter dem Begriff der patientenzentrierten Versorgung [6]. Praktizierende sollten zudem nach Möglichkeit nicht invasiv, aufwändig und teuer behandeln, sondern sich vermehrt um das Management von Risikofaktoren bemühen.

Dies ermöglicht zum Beispiel eine im Internet kostenlos verfügbare Software (Denplan PreViser Patient Assessment) [7]. Mit dieser lässt sich laut Iain Chapple (University of Birmingham) das individuelle Risiko für Parodontitis, Karies und Mundkrebs sehr gut abschätzen und eine entsprechende präventive Betreuung einleiten. Dazu gehört zentral das Management der wichtigsten Risikofaktoren.

„Ich habe Parodontitis, weil mein Mund schmutzig ist“

Parodontitis ist weltweit ein schwerwiegendes Problem, mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten und erheblichen allgemeingesundheitlichen Folgen [8]. Hinzu kommen individuelle Folgen aufgrund von Schmerzen und reduzierter Lebensqualität [9]. Viele Menschen leiden zudem laut Chapple darunter, dass ihnen die Schuld für ihre parodontale Erkrankung zugewiesen wird (siehe Zitat im Zwischentitel). Patienten müssten wissen, dass zirka jeder Zehnte aufgrund genetischer, systemischer (zum Beispiel Diabetes) oder Lebensstil-bezogener Faktoren ein stark erhöhtes Parodontitisrisiko hat und die Mundhygiene in dieser Gruppe nicht allein entscheidend ist.

Patienten bei Verhaltensänderung unterstützen

Die European Federation of Periodontology hat eine Kampagne gestartet, mit der das oralmedizinische Team bei der Patientenmotivation unterstützt werden soll [2]. Dasselbe Ziel verfolgt ein weiteres Forschungsprojekt, das von Philips Oral Healthcare gefördert wird. In Zusammenarbeit mit Spezialisten für Verhaltensforschung der Universität Kopenhagen und weiteren Partnern werden Patienten-Lehrvideos entwickelt, die bei der Etablierung gesundheitsfördernden Verhaltens einschließlich einer verbesserten Mundhygiene helfen. Klinische Studien bestätigen die Wirksamkeit von Schallzahnbürsten und Geräten für die Interdentalreinigung von Philips gegen Plaque und gingivale Entzündung [10,11]. Der Umstieg von Hand- auf die wirksamen Schallzahnbürsten von Philips wird durch die Gestaltung der Bürstenköpfe und die sanft-effektive Antriebstechnik erleichtert.

Wie eine von Chapple präsentierte, noch nicht publizierte randomisierte Studie erstmals zeigen konnte, verbessert zudem eine Kombination von einfacher Risiko-Aufklärung, Zieldefinition, Planung der Verhaltensänderung und Selbst-Monitoring durch Patienten sowohl klinische Entzündungswerte, als auch Plaque-Indizes. Dies gelang in der Studie, bei der die Risikobewertung mithilfe der oben genannten Software durchgeführt wurde, auch in einer Gruppe ohne Mundhygiene-Training.

Insgesamt ist laut Chapple eine erfolgreiche Prävention die Selbstvorsorge entscheidend. Diese müsse auch entsprechend gefördert werden, besonders bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Parodontitis und andere entzündungsbasierte, nicht übertragbare Erkrankungen [12]. Hier könnten neue Methoden mit „personalisierter“ Rückmeldung zu individuellen Risiken entscheidende Fortschritte bringen. Ziel sei eine maßgeschneiderte Prävention für alle Patienten.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Literatur:


[1] Michie S, van Stralen MM, West R. The behaviour change wheel: a new method for characterising and designing behaviour change interventions. Implement Sci. 2011;6:42. Epub 20110423. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21513547
[2] European Federation of Periodontology. EFP behaviour change campaign: unlocking better oral health. https://www.efp.org/news-events/news/efp-behaviour-change-campaign-unlocking-better-oral-health/ accessed 20250609. 2025.
[3] Asimakopoulou K, Newton JT, Daly B, et al. The effects of providing periodontal disease risk information on psychological outcomes – a randomized controlled trial. J Clin Periodontol. 2015;42(4):350-5. Epub 20150324. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25682859
[4] Asimakopoulou K, Nolan M, McCarthy C, et al. The effect of risk communication on periodontal treatment outcomes: A randomized controlled trial. J Periodontol. 2019;90(9):948-56. Epub 20190417. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30997690
[5] Vilar Doceda M, Petit C, Huck O. Behavioral Interventions on Periodontitis Patients to Improve Oral Hygiene: A Systematic Review. J Clin Med. 2023;12(6). Epub 20230315. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/36983277
[6] Bohme Kristensen C, Asimakopoulou K, Scambler S. Enhancing patient-centred care in dentistry: a narrative review. Br Med Bull. 2023;148(1):79-88. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/37838360
[7] Sharma P, Yonel Z, Busby M, Chapple IL, Dietrich T. Association between periodontal health status and patient-reported outcomes in patients managed in a non-specialist, general dental practice. J Clin Periodontol. 2018; 45(12): 1440-1447. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30341963/
[8] European Federation of Periodontology. Time to put your money where your mouth is. Adressing inequalities in oral health The Economist 2024. https://www.efp.org/publications-hub/the-burden-of-caries-and-periodontitis/
[9] Sharma P, Kristunas C, Chapple IL, et al. Periodontal health and patient-reported outcomes: A longitudinal analysis of data from non-specialist practice settings. J Clin Periodontol. 2023;50(5):582-90. Epub 20230125. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/36644795
[10] Mirza F, Nelson M, Ambers J, et al. A Randomized, Parallel Design Study to Compare the Effects of Different Interdental Cleaning Modalities on Gingivitis and Plaque After a 6-Week Period of Home Use. Compend Contin Educ Dent. 2024;45(Suppl 1):14-7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/38781412
[11] Starke EM, Mwatha A, Ward M, et al. A Comparison of the Effects of a Powered and Manual Toothbrush on Gingivitis and Plaque: A Randomized Parallel Clinical Trial. J Clin Dent. 2019;30(Spec No A):A24-9. Epub 2019/04/10. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28422462/
[12] World Health Organization. The World Health Report 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life. https://www.who.int/publications/i/item/9241562072 accessed 20250609.

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