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Wenn vorzeitiger Zahnverlust erblich bedingt ist (3)

Mit oralen Läsionen einhergehende genetische Aberrationen können sowohl isoliert mit Begrenzung auf orale Strukturen als auch in Kombination mit Systemerkrankungen auftreten.

Wenn vorzeitiger Zahnverlust erblich bedingt ist (3)

Zahnmedizin , Fachartikel

Parodontologie

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erschienen in DZW

Genetische Aberrationen mit oralen Folgen: DDr. Crista Eder über den Zusammenhang zwischen Genetik und Parodontitis (Teil 3)

Mit oralen Läsionen einhergehende genetische Aberrationen können sowohl isoliert mit Begrenzung auf orale Strukturen als auch in Kombination mit Systemerkrankungen auftreten. Letztere sind in den meisten Fällen nicht allein durch den Zahnarzt behandelbar, sondern erfordern eine gut abgestimmte Koordination mit dem Therapieregime der jeweiligen Grunderkrankung.

Papillon-Lefèvre-Syndrom

Auslöser der Erkrankung ist eine autosomal rezessiv vererbte Mutation im Kathepsin C-Gen auf Chromosom 11, welche je nach Lokalisation des Defekts zu einer vollständigen, oder zumindest weitgehende Reduktion der Kathepsinsynthese führt. Die genetische Störung geht mit palmoplantarer Keratose und einer aggressiven frühkindlichen, bereits im zweiten bis dritten Lebensjahr auftretenden Parodontitis mit progressivem Abbau des Alveolarknochens einher. Bei Nichtbehandlung führt die Erkrankung zu einem vollständigen Zahnverlust bis zum siebten Lebensjahr. Bereits bei der Dentition der Milchzähne entstehen bis zu 11 Millimeter tiefe Zahnfleischtaschen. Da Kathepsin C auch für die Aktivierung der Serinprotease in den zytotoxischen T-Zellen notwendig ist, kommt es zu einer eingeschränkten Immunabwehr gegen bakterielle Antigene. Auch Motilität, Chemotaxis und Phagozytosefähigkeit der neutrophilen Granulozyten sind stark reduziert. Die Folge ist eine überproportionale Vermehrung gramnegativer obligater und fakultativer Anaerobier, wie Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia, Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Fusobacterium nucleatum und Treponema denticola. Die Ähnlichkeit im klinischen Verlauf und im bakteriellen Spektrum stellt das Krankheitsbild in die Nähe der präpubertären aggressiven Parodontitis und des durch eine andere Kathepsin-Genmutation verursachten Haim-Munk-Syndrom. Im Röntgenbild zeigt sich eine massive Atrophie des Alveolarknochens. Regelmäßige professionelle Mundhygiene und eine durch gezielte Antibiose unterstützte Parodontaltherapie sind wichtige Eckpfeiler der Behandlung. Ziel der Behandlung ist vor allem ein möglichst langfristiger Erhalt der Zähne, zumindest bis ins frühe Erwachsenenalter, um eine weitgehend vollständige Reifung und Entwicklung der Kieferknochen zu gewährleisten. Danach wird in den meisten Fällen eine prothetische Versorgung notwendig.

Akatalasie

Durch eine Mutation in den CAT-Genen fehlt in den Peroxisomen der Blut- und Gewebszellen die Katalase. Der Erbgang ist autosomal rezessiv. In Abhängigkeit von Locus und Anzahl der Mutationen sinkt die Produktion des Enzyms bis zu unter 10 Prozent des Normwerts. Bei einer Reduktion von nur 50 Prozent spricht man von einer Hypokatalasie. Katalase spaltet Wasserstoffsuperoxid in H2O und O2. Orale Streptokokken, die an sich Teil des normalen Mikrobioms sind, bilden im Zug ihres Stoffwechsels H2O2.

Bei betroffenen Patienten häuft sich dieses überproportional an und destruiert Zellmembranen, Proteine und DNA der Wirtszellen. In schweren Fällen führt dies zu massiven Entzündungen und bis zu Gangränen der Gingiva und der oralen Weichgewebe. Auch besteht eine vermehrte Neigung zu Sinusitiden und eitriger Tonsillitis, im Blut wird vermehrt Methaemoglobin gebildet. Allerdings geht der Gendefekt nicht immer mit ernsten gesundheitlichen Problemen einher; die Symptomatik kann in manchen Fällen auch nur mild ausgeprägt sein.

Hereditäre gingivale Fibromatose

Die monogen verursachte, autosomal dominant vererbte progressive fibröse Hyperplasie der Gingiva kann isoliert auf das Zahnfleisch begrenzt, oder im Rahmen systemischer Syndrome (zum Beispiel infantile systemische Hyalinose, Ramon Syndrom, Janos Syndrom) mit zusätzlichen extraoralen Symptomen auftreten. Durch den entzündlichen Stimulus beim Zahndurchbruch kommt es zu vermehrter Ausschüttung von „transforming growth factor“. Dieser induziert eine übersteigerte Proliferation der subepithelialen Fibroblasten und in der Folge eine erhöhte Produktion von Kollagen und Fibronektin. Gleichzeitig werden die Metalloproteine (CMMPs) reduziert. Das Ungleichgewicht zwischen Synthese und Degeneration der extrazellulären Matrixmoleküle führt zu einer generalisierten, oft sehr prominenten Wucherung des Zahnfleisches, mit teilweise vollständiger Überwachsung der Zahnkronen. Es treten Probleme bei Okklusion, Mastikation, Lippenschluss und Sprache auf. Eine frühe zahnärztliche Diagnose ist wichtig, weil orale Veränderungen bei den generalisierten Syndromerkrankungen oft die Erstmanifestation darstellen. Die richtige Ersteinschätzung ermöglicht eine effektive rasche Therapie.

Differenzialdiagnostisch müssen medikamentös verursachte fibröse Gingivawucherungen als Reaktion auf Wirkstoffe wie Diphenylhydantoin, Nifedipin oder Cyklosporin ausgeschlossen werden. Aus zahnmedizinischer Sicht sind eine Gingivektomie und engmaschige Kontrollen mit Mundhygiene zur Vermeidung einer pathologischen Besiedelung der Pseudotaschen erforderlich.

Hypophosphatasie – Rathburn Syndrom

Der autosomal-rezessiv vererbte Enzymdefekt kann verschiedene Loci in dem für die gewebsunspezifische alkalische Phosphatase (ALP) kodierenden Gen betreffen. ALP hat mehrere Isoformen und wird in den Osteoblasten der Knochen produziert. Sie spaltet anorganisches Pyrophosphat und bildet damit die Basis für die Synthese von Kalziumphosphat, welches einen großen Teil der Hartsubstanz unseres Skeletts bildet. Beim Hypophosphatasie-Syndrom führt die Verminderung von ALP zu Knochenbildungsstörungen und zu kristallinen Ablagerungen von Pyrophosphat in den Nieren und in der Muskulatur. An den Zähnen zeigt sich abnorme Schmelz-, Dentin- und Wurzelzementbildung. Den schwersten Verlauf mit rachitisähnlichen Symptomen, Skelettverformungen und Neigung zu häufigen Knochenbrüchen findet man bei der perinatalen frühkindlichen Verlaufsform. Bei der kindlich/adoleszenten Form ist verfrühter Milchzahnverlust das erste Warnzeichen der Erkrankung und sollte deshalb nicht ignoriert werden. Eine zeitgerechte Abklärung ermöglicht bei positivem Befund eine früh einsetzende Therapie und damit eine Einschränkung der Folgeschäden.

Mildere Verläufe zeigt hingegen die häufigere Erwachsenenform der Hypophosphatasie, sowie die ausschließlich die Zähne betreffende Odontohypoplasie. Wegen der Ähnlichkeit der Skelettknochensymptomatik besteht, besonders bei postmenopausalen Frauen, die Gefahr der Verwechslung mit einer Osteoporose. Zahnärztliche Befunde mit mangelnd mineralisierten Zähnen, erhöhter Kariesanfälligkeit und frühem Attachmentverlust ohne erkennbare entzündliche Ursachen können hier wertvolle Hinweise für eine korrekte Diagnose geben. Die Therapie erfolgt in erster Linie symptomatisch. Für die perinatalen, frühkindlichen und juvenilen Formen ist seit 2015 ein Medikament mit dem Wirkstoff Asfotase Alfa, einem Enzymersatztherapeutikum zur Langzeitbehandlung, zugelassen. Aus zahnärztlicher Sicht ist bei den betroffenen Patienten bei operativen Eingriffen auf ein erhöhtes Osteomyelitisrisiko zu achten.

DDr. Christa Eder, Wien
(wird fortgesetzt)

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