Oralmedizin kompakt — Kurz-Empfehlungen: Update der Leitlinie von DGKiZ und DGZ mit konkreten praktischen Empfehlungen
Bleibende Molaren sind für das stomatognathe System von zentraler Bedeutung und zugleich besonders kariesgefährdet [1]. Bei erhöhtem Kariesrisiko ist es daher sinnvoll, Fissuren und Grübchen dieser Zähne zu versiegeln. Neben primärer Prävention lässt sich dadurch auch das Fortschreiten einer initialen Läsion verhindern. Damit dies gelingt, sollte die Maßnahme vom Patienten durch zahngesunde Ernährung und gute Mundhygiene unterstützt werden. Die Praxis ergänzt dies durch risiko-orientierte Maßnahmen im Rahmen eines professionellen Prophylaxe-Programms [2]. Detaillierte Informationen enthält der Leitlinientext [3].
A. Diagnostik
- Die Indikation für eine Fissuren- und Grübchen-Versiegelung (FGV) basiert auf einer
visuellen klinischen Untersuchung zur Kariesdetektion (ICDAS 2, UniViSS) - Diagnostik mit Bissflügel-Röntgenaufnahmen oder röntgenfreien Alternativen (jeweils bei Bedarf)
- Feststellung der Kariesaktivität (vorhandener Biofilm, raue und matte Oberfläche, gingivanahe Lokalisation)
- Feststellung des Kariesrisikos im risiko-abhängigen Recall durch
1. wiederholte Erfassung früherer Karieserfahrung
2. Erfassung von Initial-Läsionen
B. Indikationen (vgl. Schema)
- Kariesfreie Fissuren und Grübchen bleibender Molaren mit anatomisch kariesanfälligem Relief (subjektive Einschätzung) – unabhängig vom Kariesrisiko
- Kariesfreie Fissuren und Grübchen – bei erhöhtem Kariesrisiko (Karies im Milchgebiss, vorhandene kariöse Molaren)
- Fissuren und Grübchen an hypomineralisierten oder hypoplastischen Zähnen – unabhängig vom Kariesrisiko
- Fissuren und Grübchen bei Patienten mit Allgemeinerkrankungen oder Behinderungen, die eine effektive Mundhygiene verhindern
- Unvollständige oder verloren gegangene FGV sollten ersetzt werden – bei weiterhin bestehender Indikation (siehe oben)
- Nicht indiziert sind FGV bei geringem Kariesrisiko, bei unvollständig durchgebrochenen Zähnen mit entsprechend erschwerter Trockenlegung (alternativ temporäre FGV mit Glasionomer) und bei Dentinkaries
C. Empfehlungen zur Durchführung
Maßnahmen und die anzuwendenden Methoden und Materialien:
- Zahnreinigung: rotierende Bürstchen (mit oder ohne Paste), ggf. Airpolishing/Airflow
- Trockenlegung: Watterollen und effektive Absaugung, möglichst vierhändig, oder Kofferdam
- Vorbereitung der Schmelzoberfläche: Ätzung mit 35 bis 37-prozentigem Phosphorsäure-Gel für 30 bis 60 Sekunden, bis kreidig-weißes Ätzmuster erkennbar wird (optimal sind 60 Sekunden)
- Material: dünnfließender und opaker methakrylat-basierter Versiegelungs-Kunststoff (kein separates Bonding/Adhäsiv notwendig), Überschüsse mit Mini-Bürstchen, Pinsel oder Sonde entfernen
- Polymerisation: abhängig vom Material und der Polymerisationslampe (in der Regel 10 bis 20 Sekunden, produktspezifische Empfehlungen beachten)
- Okklusion und Politur: Sauerstoff-Inhibitionsschicht mit Bürstchen entfernen, Okklusion prüfen und ggf. korrigieren und erneut polieren
- Fluoridierung: lokale Fluoridapplikation (zum Beispiel Lack)
- Recall: Risiko-adaptiert, mit Kontrolle der intakten Versiegelung und des Kariesrisikos, nach Möglichkeit im Rahmen eines strukturierten Prophylaxe-Programms
Auf der Basis der gelisteten Empfehlungen werden im Vergleich zu anderen Methoden die besten dokumentierten klinischen Ergebnisse erreicht. Die Liste basiert auf den Angaben in der Leitlinie und einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in einem Fachartikel [1, 3].
Dr. Jan H. Koch
Konzept und Methodik
Die für diese Kurzübersicht verwendete Leitlinie gibt den Stand des Wissens von Juni 2024 wider und gilt bis Juni 2029. Sie wurde vom Innovations-Ausschuss des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert und richtet sich unter anderem an oralmedizinische Teams und Heilberufler anderer medizinischer Fachgebiete (zum Beispiel Allgemein- und Kinderheilkunde). Zusätzlich steht eine stark verkürzte Leitlinie zur Patieteninformation zur Verfügung [4]. Die therapiebezogene Leitlinie wird durch eine in diesem Jahr erschienene befundbezogene Leitlinie zum Thema Kariesprävention bei bleibenden Zähnen ergänzt [5].
Die Volltexte der FGV-Leitlinie mit Evidenz- und Methodenreport kann hier abgerufen werden.
Hinweis: Kurz-Empfehlungen in der Rubrik sind keine offiziellen Publikationen von Fachgesellschaften. Es handelt sich um Beiträge mit fachjournalistischer Auswahl von Inhalten und ohne die in Leitlinien vorgegebene methodische Stringenz.
Literatur
[1] Kühnisch J, Zöllner F, Simon-Krier A, et al. Aktuelle Empfehlungen zur Fissuren- und Grübchenversiegelung. Bayerisches Zahnärzte Blatt. 2025(6):50-4. https://bzb-online.de/artikel/aktuelle-empfehlungen-zur-fissuren-und-gruebchenversiegelung/ (Zugriff am: 08.07.2024).
[2] Koch JH. Karies erfordert mehr als ein Gießkannen-Konzept. Oralmedizin kompakt – klinische Empfehlungen: Kariöse Veränderungen vermeiden oder individuell behandeln die Zahnarzt Woche. 2025(4):6. https://dzw.de/karies-erfordert-mehr-als-ein-giesskannen-konzept (Zugriff am: 08.07.2024).
[3] DGKiZ, DGZ, DGZMK. S3-Leitlinie „Fissuren- und Grübchenversiegelung“, Langfassung 2024, AWMF-Registernummer: 083-002, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-002 (Zugriff am: 08.07.2024).
[4] DGKiZ, DGZ, DGZMK. S3-Leitlinie (Patienten-Leitlinie) „Fissuren- und Grübchenversiegelung“, 2024, gültig bis 29. Juni 2029, AWMF-Registernummer: 083-002, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-002 (Zugriff am: 08.07.2024).
[5] DGZ, DGZMK. S3-Leitlinie (Langfassung). Kariesprävention bei bleibenden Zähnen – grundlegende Empfehlungen. AWMF-Registernummer: 083-021. Stand: 28.01.2025, Gültig bis: 27.01.2030 https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-002 (Zugriff am: 08.07.2024).