Auch wenn Intraoralscanner ursprünglich für den Bereich der restaurativen Zahnheilkunde entwickelt wurden, sind sie heute in fast allen Fachdisziplinen der Zahnmedizin zu finden.
Dies ist, neben der Weiterentwicklung im Bereich der Abformungsgenauigkeit, vor allem auf die in vielen modernen Intraoralscannern integrierten Zusatzfunktionen wie beispielsweise der Diagnostik von kariösen Läsionen, dem Monitoring von Zahnhartsubstanzverlusten oder der Visualisierung von Behandlungsergebnissen zurückzuführen.
Die Entwicklung der Intraoralscanner war eng mit ihrem Bestimmungszweck verbunden. So diente der Intraoralscanner zunächst als Aufnahmesystem zur Herstellung von (CAD/CAM-)Restaurationen direkt am Patientenstuhl im Chairside-Verfahren. Nachdem bereits in den 1970er Jahren Francois Duret und Dianne Rekow die ersten Ideen eines Intraoralscanners skizzierten, ist es schlussendlich Mörmann und Brandestini in den 1980er Jahren gelungen, mit dem Cerec-System (Dentsply Sirona) ein kommerzielles Gerät zur Herstellung von Inlays zu entwickeln [1,?2]. Mitte der 1990er Jahre folgte dann mit der Fertigung von Kronen, Veneers und Onlays eine Indikationserweiterung. Nichtsdestotrotz war der Anwendungsbereich von Intraoralscannern lange Zeit auf Einzelzahnrestaurationen limitiert. Bis auch größere Bereiche mit dem Intraoralscanner erfasst werden konnten, sollte es noch bis zum Ende der 2000er Jahre dauern [3].
Innerhalb der vergangenen Dekade hat das Angebot an Intraoralscannern deutlich zugenommen und die Hard- sowie die Software wurden stetig weiterentwickelt. Waren in den Anfängen des Intraoralscannens Puder-Applikationen zwingend erforderlich, sind diese bei aktuellen intraoralen Scansystemen nicht mehr notwendig, wodurch die Handhabung deutlich erleichtert und die Anfertigung einer digitalen Abformung auch während eines chirurgischen Eingriffs durchgeführt werden kann.
Dabei war es stets das Ziel, mit dem Intraoralscanner die Genauigkeit der konventionellen Abformung zu erreichen beziehungsweise diese zu übertreffen.
Doch trotz aller Innovation und Weiterentwicklungen der vergangenen zehn Jahre gibt es immer noch Limitationen der heute verfügbaren intraoralen Scansysteme, denn alle haben gemeinsam: Die optische Abformung wird aus vielen kleinen Einzelbildern im sogenannten Matching- beziehungsweise Stitchingverfahren zu einem dreidimensionalen Datensatz zusammengesetzt und ist somit statisch (Abb.1). Stand heute kann nur alles optisch Sichtbare gescannt werden und die dynamische Aufzeichnung von Weichgeweben in Funktion, wie beispielsweise für den Halt einer Totalprothese erforderlich, ist nicht möglich [4,?5]. Auch gibt es Limitationen im Bereich der Scangenauigkeit ganzer Kiefer, sowohl bei der Abformung natürlicher Zähne als auch bei Implantaten [68].
Untersuchungen haben gezeigt, dass das Scannen anhand eines Scanpfades, welcher auf der Okklusalfläche beginnt, den oralen Flächen folgt und mit den Bukkalflächen abschließt, zur höchsten Genauigkeit beim Ganzkieferscan führt [9]. Um weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Genauigkeit des Intraoralscans zu kontrollieren, empfehlen sich
- eine relative Trockenlegung, zum Beispiel mit DryTips (Microbrush International, Grafton) und OptraGate (Ivoclar Vivadent) (Abb. 2),
- die Kalibrierung des Intraoralscanner-Handstücks (sofern vom Hersteller vorgesehen) [10],
- die Vermeidung von reflektierenden Instrumenten wie metallischen Mundspiegeln
- und eine konstante Umgebungsbeleuchtung von 500 lx, was einer normalen Raumbeleuchtung ohne zahnärztliche Behandlungsleuchte entspricht [11].
Doch auch bei der Berücksichtigung aller möglichen Einflussfaktoren ist beim Intraoralscan im Gegensatz zur konventionellen Abformung zurzeit noch ein sich über den Scanpfad zunehmender Matching-/Stitchingfehler zu beobachten, der zu einem Verzug des dreidimensionalen Scandatensatzes führen kann (siehe tw Diagramm) [12]. Inwiefern hier Softwarealgorithmen eine Korrektur vornehmen, ist gegenwärtig nur den Herstellern bekannt. In jedem Fall ist zu beobachten, dass sowohl im Bereich der Hardware- als auch in der Softwareentwicklung die Genauigkeit der Intraoralscanner bezüglich Ganzkieferscans in den vergangenen zehn Jahren teilweise um den Faktor zehn zugenommen hat [1316]. Dies bedeutet für den klinischen Behandlungsalltag, dass die Genauigkeit im ganzen Kiefer für die Herstellung von Hilfsmitteln wie Schienen, Bohrschablonen, Modellen oder kieferorthopädischen Apparaturen ausreicht, jedoch insbesondere bei großspannigen prothetischen Versorgungen, bei denen Genauigkeiten von unter 100 µm erforderlich sind, noch intraoral zu verklebende Tertiärstrukturen verwendet werden müssen, um die Ungenauigkeiten des Intraoralscans auszugleichen [17]. Außerdem gibt es teilweise signifikante Unterschiede in Bezug auf die Genauigkeit von Intraoralscannern im ganzen Kiefer [7,?18], daher sollte vor Anschaffung eines Geräts innerhalb der Zahnarztpraxis überlegt werden, was genau mit dem Intraoralscanner gemacht werden soll und welche Anforderungen erfüllt werden müssen.
Zusatzfunktionen
Über die alleinige digitale Abformung als Ersatz für die konventionelle Abformung hinaus bieten viele Intraoralscanner heute zusätzliche Funktionen an: vom selektiven Ausschneiden und Nachscannen einzelner Scanbereiche (Abb. 3), über die Kontrolle des Datennetzes (Abb. 4) bis hin zur Präparationsanalyse (Abb.5) [5,?19].
In der Regel kann auch zwischen verschiedenen Darstellungsmodi, zum Beispiel einer monochromen oder einer zahnfarbenen Darstellung, gewechselt werden (Abb.6). Insbesondere bei der Beurteilung der korrekten Darstellung von Oberflächen, zum Beispiel Präparationen oder Scanbodies, ist die monochrome Darstellung der zahnfarbenen vorzuziehen, da wie in Abbildung 7 ersichtlich, feine Strukturen deutlich einfacher zu erkennen sind. Für die digitale Bestimmung der Zahnfarbe, welche viele aktuelle Intraoralscanner heute ermöglichen, ist jedoch eine Farbdarstellung zwingend erforderlich.
Neben diesen, vor allem für die restaurative Zahnheilkunde hilfreichen Zusatzapplikationen, gibt es jedoch Innovationen, welche Intraoralscanner auch für die zahnärztliche Behandlung außerhalb der restaurativen Therapien zunehmend attraktiv gestalten. Dies ist auch an der Anzahl der in pubMed gelisteten Publikationen während der vergangenen zehn Jahre deutlich zu erkennen. Den größten Anteil verzeichnen zwar nach wie vor die Prothetik sowie die restaurative Zahnheilkunde, aber gerade in der Kieferorthopädie und der Chirurgie zeichnet sich ein steigendes Interesse an Intraoralscannern ab. Auch in den Bereichen präventive Zahnerhaltungskunde und Kinderzahnheilkunde ist Literatur aus den vergangenen fünf Jahren verfügbar (siehe tw Diagramm).
Da viele Zusatzfunktionen von Intraoralscannern in mehreren Fachdisziplinen der Zahnmedizin verwendet werden, soll im Folgenden auf einzelne Applikationen und nicht die Fächer selbst eingegangen werden:
Modellherstellung
Die intraorale Situation extraoral mithilfe eines virtuellen oder realen Modells darzustellen, ist für zahlreiche Behandlungssituationen notwendig. Die Modelle sind zur Diagnostik und/oder Behandlungsplanung erforderlich und gerade bei der Dokumentation beziehungsweise Archivierung können Modelldatensätze deutlich platzsparender als Gipsmodelle aufbewahrt werden. Ein Scandatensatz eines Kiefers benötigt circa 25 MB Speicherplatz, was bedeutet, dass auf einer 5 TB Festplatte 100?000 Modellpaare archiviert werden können. Sofern das virtuelle Modell dann doch noch einmal real begutachtet werden soll, kann es mithilfe eines 3-D-Druckers in wenigen Minuten hergestellt werden. Auch eine digitale Bissregistrierung ist mit dem Intraoralscanner möglich, wobei zur dynamischen Kieferrelationsbestimmung heute noch zusätzliche Systeme (zum Beispiel zebris JMA Systeme) erforderlich sind.
Monitoring
Im Rahmen der fünften deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) konnte im Vergleich zur DMS IV zehn Jahre zuvor ein deutlicher Rückgang kariöser Läsionen bei Kindern- und Jugendlichen (im Alter von 6 bis 12 Jahren) beobachtet werden [20]. Dies ist vermutlich auf den Erfolg von Präventionskonzepten im Bereich der Kariologie zurückzuführen. Allerdings wird in der Studie auch auf die nicht-kariös bedingten Zahnhartsubstanzverluste, wie zum Beispiel Erosionen, hingewiesen. Bereits Jugendliche sind mit einer Prävalenz von 30,4 % von diesem Krankheitsbild betroffen [21, 22]. Beschwerden treten bei den Patienten jedoch erst Jahre später auf, wenn bereits das Dentin freigelegt ist und umfangreiche restaurative Therapien zur Wiederherstellung der reduzierten vertikalen Kieferrelation erforderlich sind (Abb. 8). Somit bleiben Erosionen im Anfangsstadium häufig unerkannt und eine Beobachtung der Progredienz erkannter Läsionen unterbleibt häufig aufgrund des aufwendigen Monitorings mittels konventioneller Abformung und Erstellung von Gipsmodellen. An dieser Stelle können Intraoralscanner und intelligente Softwarelösungen helfen, Zahnhartsubstanzverluste frühzeitig zu diagnostizieren und ein einfaches Monitoring von Läsionen über Jahre hinweg zu ermöglichen. Erste klinische Studienergebnisse zeigten, dass mit Intraoralscannern bereits ein Monitoring von Zahnhartsubstanzverlusten einzelner Zähne im Bereich von 10 bis 20?µm möglich ist (Abb.9) [23]. Allerdings müssen insbesondere im Bereich der automatisierten Auswertung und dem Monitoring ganzer Kiefer weitere Studien zur Genauigkeit folgen. Um in der täglichen Behandlung eine Übersicht über mögliche Zahnhartsubtanzverluste, Abrasionen, parodontale Veränderungen oder Zahnbewegungen zu erhalten, ist die Genauigkeit der bereits in einigen Intraoralscannern integrierten Monitoringfunktion vollkommen ausreichend.
Kariesdiagnostik
Auch wenn kariöse Läsionen in den letzten Jahren zurückgegangen sind, gehört Karies nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer noch zu den weltweit häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten. Zudem ist im Bereich der ECC eine Zunahme der Karieserfahrung beschrieben.
Zurzeit bieten drei Intraoralscanner eine integrierte Kariesdiagnostikfunktion an: Emerald S (Planmeca), iTero Element 5D (Align Technology) und Trios 4 (3Shape).
Während letzterer die Fluoreszenztechnologie zur Diagnostik von kariösen Läsionen verwendet, nutzen die anderen beiden Intraoralscanner die von der Diagnocam (KaVo) bekannte Nahinfrarot-Technologie (Abb.10) [24]. Erste Studien zeigen für die Kariesdiagnostik mittels Intraoralscanner mit den herkömmlichen Kariesdiagnostikmethoden durchaus vergleichbare Ergebnisse; allerdings ist die Datenlage an dieser Stelle noch sehr gering, weshalb nach wie vor eine Kombination verschiedener Diagnostikmethoden vor invasiven Kariesbehandlungen zu empfehlen ist [25,?26].
Im Gegensatz zur Röntgenaufnahme kommt die Kariesdiagnostik mittels Intraoralscanner ohne ionisierende Strahlung aus, sodass sie beliebig oft am Patienten wiederholt werden kann und somit ein Monitoring kariöser Läsionen erlaubt. Dies ist zwar prinzipiell auch mit intraoralen Kamerasystemen wie der Diagnocam möglich, jedoch ist hierfür ein separates Gerät erforderlich. Außerdem ist es zukünftig denkbar, Intraoralscanner auch im Rahmen von zahnärztlichen Reihenuntersuchungen in Kindergärten oder Schulen einzusetzen. Neben der Diagnostikfunktion kann so gleich eine Visualisierung für Kinder und Eltern erfolgen. Die klinische Erfahrung zeigt, dass auch Kinder in der Regel problemlos mit einem Intraoralscanner gescannt werden können.
-
Weitere Beiträge zu diesem Thema
Die große Ärzteliste 2025
Vertrauen entsteht im Gespräch und im Miteinander. Beides möchte das Magazin FOCUS-Gesundheit mit der „Großen Ärzteliste 2025“ fördern: Patientinnen und Patienten sollen die für sie passenden Ärzte finden.Klarer Fahrplan in eine ungewisse Zukunft
Die elektronische Patientenakte (ePA) startet flächendeckend in Deutschland. Ab Oktober 2025 ist sie verpflichtend, ab 2026 drohen Sanktionen bei Nicht-Nutzung. Kritik an Datensicherheit und Systemreife bleibt bestehen.Universal Excellence
Kuraray Noritake präsentierte auf der IDS 2025 unter dem Motto "Universal Excellence" abgestimmte Produkte wie Clearfil Universal Bond Quick und Cerabien MiLai, die Ästhetik und Effizienz vereinen.