MIH-Verdacht und Diskolorationen? Ätiologisch ist es unwesentlich, wenn es darum geht, möglichst einfach und schnell ein ästhetisch adäquates Ergebnis zu erzielen. Diskolorationen, im Sinne einer unpassenden Zahnfarbe infolge Trauma, Entwicklungsstörung der Schmelzbildung oder iatrogen verursacht, stellen eine fast tägliche Herausforderung in der zahnärztlichen Praxis dar. Um als Behandler über ein konzeptionell einfaches Vorgehen zu verfügen, bedarf es jedoch keiner besonderen Tricks, sondern nur des Verständnisses der Materie Zahn. Im Folgenden soll anhand einer Bildreihe die Vorgehensweise einer morphologischen und auch farblichen Rekonstruktion einer Inzisalkante dargestellt werden.
Der Patient war mit der verkürzten Zahnform und der weißlichen Diskoloration im Schneidekantenbereich unzufrieden. Der Zahn 12 war im inzisalen Drittel hypomineralisiert und wies geringe inzisale Schmelzfrakturen auf (Abb. 1).
Mock-up als vorbereitende Maßnahme
Im Vorfeld wurde für die Rekonstruktion an Zahn 12 ein Mock-up angefertigt, um die Schneidekante im disto-inzisalen Bereich etwas aufzubauen. Das Mock-up wurde mit einem Knetsilikon abgeformt und daraus ein Silikonschlüssel angefertigt.
Karies entfernen und Nachbarzähne schützen
Der strukturell insuffiziente Bereich und die mesiale Karies wurden mit rotierenden Instrumenten entfernt (Abb.2). Um die Nachbarstrukturen zu schützen, wurde ein Klarsichtband vor der selektiven Schmelzätzung zirkulär um den Zahn gelegt und interdental fixiert (Abb.3).
Abstrahlen der Oberfläche für nahtlosen Übergang
Ein Erfolgsfaktor beim ästhetischen Kompositaufbau in der Front ist ein unsichtbarer Übergang vom Komposit zur Zahnhartsubstanz; deshalb sollte die Oberfläche abgestrahlt werden. Ungünstige Lichteinflüsse können die durch Schleifinstrumente entstandenen Schliffmuster sichtbar machen und den Übergang demaskieren. Ein glatter, sauberer und abgerundeter Übergang wird durch das Abstrahlen mit Al2O3 gewährleistet. Dadurch werden unerwünschte Reflexionen im Übergangsbereich verhindert (Abb.4 und 5).
Mikroretentives Muster schaffen
Zur Gewährleistung einer innigen Adhäsion muss der Schmelz 15 Sekunden intensiv mit Wasser abgespült werden, um die in Lösung gegangenen Schmelzanteile von der Oberfläche abzuspülen (Abb.6 und 7). Erst dann gewährleistet das so entstandene mikroretentive Muster eine ausreichende Benetzung und Vernetzung mit dem Adhäsiv (Abb.8 bis 10).
Flow und Farbe auftragen
Die Möglichkeit, Farben auf der Zahnoberfläche miteinander zu vermischen, eröffnet neue Perspektiven im Schaffen naturanaloger Farbeffekte. Das Mischungsverhältnis einer ungefüllten transparenten Farbkomponente (Flow CL-Clear, Venus Diamond Kulzer) mit gefüllten Farben unterschiedlicher Trübungsgrade kann individuell nach den farblichen Anforderungen hergestellt werden (Abb.11 bis 15). Das ungefüllte glasklare Flow, CL-Clear, stellt eine Besonderheit dar, denn mit seiner hohen Transparenz können gräuliche transluzente Bereiche nachgeschichtet werden, die häufig im Inzisalbereich der Zähne zu finden sind. Durch die Mischung von Clear mit einem weißlich eingetrübten Flowmaterial mit geringer Tansluzenz wie Bleach BXL (Bleach Extra Light, Venus Diamond Flow, Kulzer) können unterschiedliche Trübungsgrade angefertigt werden. Wie in Abbildung 16 sehr gut zu erkennen, können eingetrübte und gräuliche Bereiche von Anteilen mit einer hohen weißlichen Farbdichte bestens unterschieden werden. Eine direkte Mischung auf der Zahnoberfläche gewährleistet somit eine individuelle Gestaltung der nachzubildenden Areale, wie sie von natürlichen Nachbarzähnen vorgegeben sind. Eine Integration in das farblich umgebende Milieu ist dadurch denkbar einfach und sehr leicht anzufertigen.
Ist das Verständnis über die Gestaltung farblicher Besonderheiten, wie sie bei natürlichen Zähnen speziell im inzisalen Frontzahnbereich vorkommen, vorhanden, erleichtert dies die Herstellung naturanaloger Farbbereiche wesentlich. Meistens kann mit einem monochromatischen Basisaufbau mit einer Farbe beispielsweise dem hochviskösen Komposit OLC (Opaque Light Chromatic, Venus Diamond, Kulzer) der zu rekonstruierende Bereich aufgebaut werden und on top das beschriebene Prozedere eines individuell gestalteten Farbgefüges angewendet werden. Sollte initial eine Mischung auf der Oberfläche nicht gelingen, kann der Gestaltungsversuch einfach weggewischt und neu produziert werden. Einer individuellen passenden Farbadaption sind somit keine Grenzen gesetzt.
Ausarbeitung
Grundsätzlich sollte der Auftrag dieser Farbmischung nicht überdimensioniert sein, damit durch die Ausarbeitung keine entscheidenden Effekte verloren gehen. Die Ausarbeitung des Kompositaufbaus erfolgt oszillierend mit dem Eva-Instrument (KaVo), um einen geraden, nicht konkaven Übergangsbereich vom Komposit auf die Zahnhartsubstanz zu ermöglichen (Abb.17 bis 19).
Die weitere feinere Bearbeitung erfolgt mit dem pinkfarbenen Vorpolierer (Venus Supra, Kulzer), mit dem die Oberfläche weiter eingeebnet wird (Abb.20). Um den Übergang der beiden Materialien, Komposit und Zahnhartsubstanz, deutlich sichtbar zu machen, empfiehlt es sich, die finale Ausarbeitung mit sehr reduzierter Geschwindigkeit trocken vorzunehmen. Der Polierabrieb sollte möglichst zeitgleich mit dem Luft-/Wasserspritzer entfernt werden, um das Arbeitsfeld sauber zu halten und eine Kühlung zu bewirken. Für beste Ergebnisse empfiehlt der Hersteller (Kulzer) eine Umdrehungszahl von circa 7500?U/min. und die Verwendung von Wasserspray zur Wärmeabführung (Wassermenge mindestens 50?ml/min.). Zur Vermeidung höherer Temperaturen sollte mit geringem Anpressdruck gearbeitet werden. Die Hochglanzpolitur erfolgt mit dem grauen Hochglanzpolierer (Venus Supra, Kulzer). Final ist kein Übergang vom Komposit zur Zahnsubstanz mehr sichtbar (Abb.20 und 21).
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