Es gibt mittlerweile zahlreiche alternative Restaurationsmaterialien, die indikationsabhängig zur direkten Versorgung von Zahnläsionen eingesetzt werden können, dazu zählen Glasionomere, Glas-Hybride und Komposite. Der Autor vergleicht anhand von Untersuchungen Indikationsbereiche, Effizienz und Überleben der Materialgruppen im internationalen Vergleich.
Rund 100 Jahre lang war Amalgam das Standard-Restaurationsmaterial für Kariesläsionen im Seitenzahnbereich. Aufgrund seiner einfachen Anwendung und insbesondere seiner Feuchtigkeitstoleranz, aber auch aufgrund seiner relativ guten Beständigkeit gegenüber Kaudruckbelastungen und Sekundärkaries gilt Amalgam bis heute bei den meisten Kostenerstattern als Standardversorgungsmaterial.
In der öffentlichen Debatte wurden immer wieder Bedenken hinsichtlich der Biokompatibilität des quecksilberhaltigen Materials und der allgemeinen Auswirkungen auf die Gesundheit laut. Allerdings gelang es in einer Reihe von Studien, diese Annahmen zu widerlegen und die generelle Sicherheit von Amalgam bei korrekter Anwendung nachzuweisen.
Minamata-Abkommen und die Folgen für die Zahnmedizin
Dass die Nutzung von Amalgam in den kommenden Jahren in zahlreichen Ländern trotzdem eingeschränkt oder eingestellt werden wird, ist hingegen auf das Minamata-Abkommen zurückzuführen. Namensgeber des Abkommens ist die japanische Stadt Minamata, in der Quecksilber während einer industriellen Verarbeitung in größeren Mengen in die Umwelt freigesetzt wurde, was weitreichende gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung hatte. Die Unterzeichnerstaaten des Minamata-Abkommens haben sich dazu verpflichtet, die Verwendung von Quecksilber in allen industriellen Prozessen mittelfristig zu stoppen wobei einzig für die Zahnmedizin eine Ausnahme gemacht wurde, denn für unseren Bereich sieht das Übereinkommen keine vollständige Einstellung der Quecksilbernutzung (Phase Out), sondern lediglich eine Reduzierung vor (Phase Down). Mit dem Phase Down gilt hingegen unter anderem die Verpflichtung, mittels entsprechender Maßnahmen die Nutzung von Amalgam in der Zahnmedizin zu reduzieren, zum Beispiel durch umfassendere Kariesprävention sowie die Entwicklung und Einführung alternativer, restaurativer Strategien. In den meisten Staaten wurden für bestimmte Personengruppen, wie Schwangere und Stillende, zudem bereits eine weitgehende Nutzungseinschränkung von Dentalamalgam umgesetzt. Mittelfristig ist auch das Phase Out dieses für die Zahnmedizin über 100 Jahre so bedeutsam gewesenen Materials nicht unwahrscheinlich. Damit stehen Zahnmediziner vor einer wichtigen Frage: Welches Material kann ich alternativ verwenden?
Amalgam-Alternativen
In den vergangenen 60 Jahren wurden eine ganze Reihe von Alternativen zu Amalgam eingeführt, die sich grob in drei Kategorien unterteilen lassen:
- Komposit-Materialien, die traditionell schichtweise appliziert werden, um die Polymerisationsschrumpfung auszugleichen und für eine sichere Polymerisation zu sorgen;
- Glasfüllstoffbasierte Materialien, also Glasionomere und Glas-Hybride;
- Zementbasierte oder Kombinationsmaterialien aus Kunststoffen und glasbasierten Materialien.
Vor allem Komposite werden schon lange als Amalgamalternative verwendet, insbesondere für kaudruckbelastete Seitenzahnrestaurationen, die auch die Approximalflächen umfassen.
Mikro- und Nano-Hybrid-Komposite verfügen nachgewiesenermaßen über hervorragende physikalische Eigenschaften wie eine hohe Abrasions- und Erosionsbeständigkeit, eine hohe Biegefestigkeit, gute Polierbarkeit und eine hohe Ästhetik. Zudem können diese Materialien adhäsiv eingebracht werden, ohne vorherige makroretentive Kavitätenpräparation. Das Legen von Kompositrestaurationen ist allerdings an bestimmte Voraussetzungen wie eine entsprechende Trockenlegung, die Ausformung des Approximalkontakts, die Konditionierung der Kavitäten (unter anderem mit Säureätztechnik und Adhäsivsystemen) und das inkrementelle Einbringen des Kunststoffs verknüpft.
In den letzten Jahren haben sich die Hersteller zunehmend auf die Vereinfachung dieser Verfahrensschritte konzentriert. So wurden beispielsweise das Ätzen und die Applikation des Adhäsivs miteinander kombiniert oder mittels Bulk-Fill-Komposite das schrittweise Einbringen des Materials weitgehend reduziert. Dennoch ist die Platzierung von Kompositen technisch anspruchsvoll, insbesondere bei äquigingivalen oder subgingivalen Restaurationen. Außerdem ist das Material im Vergleich zu Amalgam verhältnismäßig teuer. Somit können Komposite zwar sehr wohl als Alternative zu Amalgam betrachtet werden, sind jedoch nicht in jeder Situation ein echter Amalgamersatz.
Glasionomere und Glas-Hybride
Glasionomere wurden jahrzehntelang nur als temporäres Restaurationsmaterial betrachtet. Dies lag insbesondere an ihrer geringeren Abrasions- und Erosionsbeständigkeit, sowie der eingeschränkten Biegefestigkeit. Der Einsatz dieser Materialien in okklusal-approximalen Seitenzahnkavitäten war demnach nur eingeschränkt möglich (die Überlebensraten in rein okklusalen Kavitäten sind hingegen bereits seit Jahrzehnten relativ hoch). Neuere Weiterentwicklungen der Glasionomer-Technologie fokussieren genau auf diese Schwächen, also Abrasions- und Erosionsbeständigkeit sowie Biegefestigkeit. Mit Einführung der Glas-Hybrid-Technologie und den sogenannten Glas-Hybriden konnten die Abrasions- und Erosionsbeständigkeit signifikant erhöht werden und auch die Biegefestigkeit wurde deutlich verbessert. Erreicht wurden diese Fortschritte durch Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung des Materials im Wesentlichen durch den Einsatz zusätzlicher kleinerer, hochreaktiver Glaspartikel und längerer Akrylsäureketten. Hierdurch wird eine höhere Vernetzung der verschiedenen Materialphasen und somit eine größere Härte und Biegefestigkeit erreicht. Zudem wird ein Coating auf die zugänglichen Flächen, zum Beispiel die Kau- oder Vestibulärflächen, aufgetragen. Der nanogefüllte, selbstadhäsive, lichthärtende Lack wird auf die rauere Glasoberfläche aufgetragen und schützt dadurch den porösen Glaskörper vor Säure und Abrasion. Zudem hat sich herausgestellt, dass das Coating die Ästhetik des zuvor schlecht polierbaren Materials deutlich verbessert. Wie auch Glasionomere lassen sich Glas-Hybride als Bulk platzieren. Sie verfügen zudem über eine ebenso hohe Bioaktivität, insbesondere die bekannte Fluoridfreisetzung.
Die genannten Verbesserungen sind vor allem in Laborstudien nachgewiesen worden. Diese sind zur Vorhersage des tatsächlichen klinischen Verhaltens nur bedingt geeignet. Nur in klinischen Studien lassen sich die tatsächlichen Effekte von Veränderungen des Materials und die potenzielle Eignung als Alternative zu Amalgam nachweisen.
Glas-Hybride: Klinische Daten
Wie bei den meisten wissenschaftlichen Fortschritten war die Entwicklung der Glas-Hybride keine Revolution, sondern eine Evolution. In einer Reihe von klinischen Studien wurden die direkten Vorgänger der Glas-Hybride untersucht. Dabei konnte bestätigt werden, dass auch diese Vorgängermaterialien bereits eine hohe Langlebigkeit aufweisen [13].
Die aktuelle Generation der Glas-Hybride wurde in verschiedenen klinischen Studien bewertet, die in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden. In diesen Studien wurden unterschiedliche klinische Indikationen betrachtet und ein robustes klinisches Studiendesign angewendet. So nutzten die Wissenschaftler üblicherweise randomisiert-kontrollierte Studien, um das Glas-Hybrid-Material mit einem anerkannten Versorgungsstandard, wie zum Beispiel einem Komposit, zu vergleichen. Im Wesentlichen wurden zwei Anwendungsbereiche betrachtet: einerseits zervikale (oftmals nicht-kariöse) Läsionen und andererseits kaudruckbelastete (kariös verursachte) Läsionen an Seitenzähnen.
Zervikale Läsionen (Abb. 1)
Der Einsatz von Glasionomeren, vor allem von kunststoffverstärkten Glasionomeren, zur Restauration (nicht- kariöser) zervikaler Defekte hat eine lange Tradition und stützt sich auf eine Vielzahl klinischer Studien, in denen die Eignung des Materials für diesen Zweck nachgewiesen wird. Kunststoffverstärkte Glasionomere führten in Bezug auf die Überlebensrate und den Erfolg zervikaler Restauration regelmäßig zu besseren Ergebnissen als alternative Materialien [4]. In Bezug auf Glas-Hybride können zwei randomisierte Studien herangezogen werden, in denen die Anwendung dieses Materials im Vergleich mit einem Komposit untersucht wird.
Die erste Studie [5] umfasste eine kleine Probandengruppe von 25 Bruxismus-Patienten mit nicht-kariösen zervikalen Läsionen, also einer sehr speziellen Patientengruppe. Bei den (eher jüngeren) Patienten wurden insgesamt 148 Läsionen versorgt, was auf eine extrem hohe Zahl an Läsionen pro Patient hindeutet, und zwar nach dem Zufallsprinzip entweder mit einem Glas-Hybrid (Equia Forte, GC) oder einem Komposit (CeramX One Universal, Dentsply). In den Nachuntersuchungen nach 6, 12 und 24 Monaten wurden die Restaurationen anhand der angepassten USPHS-Kriterien beurteilt. Bei der Bewertung der 126 betrachteten Restaurationen (bei 22 Patienten) im Rahmen der Nachuntersuchung nach 24 Monaten wurde deutlich, dass die beiden Materialien zu ähnlichen Ergebnissen geführt hatten. Lediglich bei der Randanpassung ließ sich ein signifikanter Unterschied feststellen, wobei die Glas-Hybride eine geringere Anpassung aufwiesen. Bei keiner der Restaurationen wurde eine Sekundärkaries festgestellt.
In einer anderen Studie [6] mit einer Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten wurden die Überlebensrate, Qualität und Kosten von Glas-Hybrid (Equia Forte, GC) und Komposit (Filtek Supreme XTE, 3M) für die Versorgung zervikaler sklerotische, nicht-kariöser Läsionen betrachtet. Bei 88 Patienten (im Alter von 50 bis 70 Jahren) mit insgesamt 175 Läsionen wurden die Restaurationen direkt, ohne mechanische Präparation, platziert, was letztlich zu hohen Verlustraten in beiden Gruppen führte. Die Qualität der Restaurationen wurde nach einem Monat, nach 18 Monaten und nach 36 Monaten anhand der FDI-Kriterien bewertet. Die Kosten wurden nach dem sogenannten Micro-Costing-Ansatz ermittelt; dabei wird die Zeit für die Platzierung des Materials berücksichtigt. Für Kosten während der Nachbeobachtungsphase wurden die Gebührensätze der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zugrunde gelegt. Von den 88 Patienten wurden 43 mit Glas-Hybrid-Materialien versorgt (83 Restaurationen) und 45 mit Komposit (92 Restaurationen). Die Zuordnung erfolgt per Cluster-Randomisierung, das heißt, jeder Patient erhielt nur ein Füllungsmaterial auch, wenn er mehrere Füllungen benötigte. Nach 36 Monaten zeigte sich bei 17 Glas-Hybrid- und 19 Komposit-Restaurationen ein vollständiger Retentionsverlust; fünf Glas-Hybrid-Restaurationen hatten teilweise versagt. Hinsichtlich des Versagensrisikos wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Materialien detektiert. Bei der Bewertung der Restaurationsqualität anhand der FDI-Kriterien zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede außer beim Oberflächenglanz; hier schnitt das Komposit-Material besser ab als das Glas-Hybridmaterial. Bei den Glas-Hybriden waren die Kosten wesentlich niedriger, und zwar sowohl bei der Erstversorgung (Glas-Hybride: 32,57; Standardabweichung SD 16,36 gegenüber Kompositen: 44,25; SD 21,40 ) als auch über den gesamten Beobachtungszeitraum (Glas-Hybride: 41,72; SD 25,08 , Komposite: 51,60; SD 26,17 ).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Studien, die randomisiert und mit einem robusten Studiendesign durchgeführt wurden, die Eignung von Glas-Hybriden für die Restauration zervikaler Läsionen demonstrieren. Darüber hinaus geht aus den Studien hervor, dass das Material nicht nur eine ähnliche Überlebensrate aufweist, sondern auch besonders kostenwirksam ist. Ausgehend von der zweiten Studie sollte berücksichtigt werden, dass eine vorsichtige Aufrauhung sklerotischer Oberflächen unabhängig vom verwendeten Restaurationsmaterial vermutlich vorteilhaft ist.
Okklusal-approximale Läsionen (Abb. 2 und 3)
Anders als bei den zervikalen Läsionen wurden Glasionomere in der Vergangenheit nicht für die Restauration von kaudruckbelasteten mehrflächigen Kavitäten im Seitenzahnbereich in Betracht gezogen. Dies geschah unter anderem, weil die begrenzte Biegefestigkeit und geringe Abrasions-/ Erosionsbeständigkeit der Glasionomere die Langlebigkeit der Materialien in dieser Indikation einschränkte. Mittlerweile haben verschiedene klinische Studien diese Annahme für Glas-Hybrid-Materialien widerlegt. Besonders erwähnenswert sind hier zwei neuere randomisierte Studien.
Für die erste Studie [7] wurden ein Glas-Hybrid (Equia Forte, GC), ein Bulk-Fill-Komposit (Filtek Bulk Fill Posterior Restorative, 3M) und ein schichtweise appliziertes Mikro-Hybrid-Komposit (Charisma Smart, Heraeus Kulzer) miteinander verglichen. Dabei wurden 109 Zähne von 54 relativ jungen Patienten (31 Frauen, 23 Männer, Durchschnittsalter 22 Jahre) mit zweiflächigen Kavitäten (mesial-okklusal, okklusal-distal) in bleibenden Zähnen restauriert; die Wahl des Restaurationsmaterials erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Die Restaurationen umfassten nicht die Höcker und im zervikalen Randbereich befand sich gesunder Schmelz; die Kavitätenränder lagen nicht subgingival. Nach der Kariesentfernung und der minimalinvasiven Präparation wurden die Materialien appliziert. Nach rund 24 Monaten wurden 84 Restaurationen anhand der angepassten USPHS-Kriterien bewertet. Die Komposit-Restaurationen schnitten im Vergleich mit den Glas-Hybrid-Restaurationen besser in Bezug auf anatomische Form, Kontaktpunkt, Farbanpassung, Oberflächentextur und Gesamtüberlebensrate ab.
In einer anderen multinationalen, randomisiert-kontrollierten Split-Mouth-Studie [8, 9] in vier Universitätskliniken in Kroatien, Serbien, Italien und der Türkei wurde ein Glas-Hybrid (Equia Forte, GC) mit einem Nano-Hybrid-Komposit (Tetric EvoCeram, Ivoclar Vivadent) verglichen, wobei okklusal-approximale zweiflächige Restaurationen im Molarenbereich bei Erwachsenen im bleibenden Gebiss platziert wurden. Für das Split-Mouth-Studiendesign mussten bei jedem Studienteilnehmer zwei ähnliche Kavitäten in vitalen positive Reaktion auf Ethylchlorid Molaren vorliegen, und zwar jeweils beide im Oberkiefer oder beide im Unterkiefer. Je ein Zahn wurde dann mit Glas-Hybrid und der andere mit Komposit versorgt. Insgesamt wurden 360 Restaurationen (bei 180 Patienten) platziert. Bei der Behandlung kamen vorgeformte Teilmatrizen (Palodent Plus, Dentsply Sirona) zum Einsatz und die Kavitäten wurden vor dem Platzieren des Materials nach Herstelleranleitung konditioniert. In den Fällen des Komposits wurde ein selbstätzendes Zwei-Schritt-Adhäsiv (Adhese, Ivoclar Vivadent) genutzt. Die Nachuntersuchungen, bei denen die Restaurationen nach FDI-2-Kriterien bewertet wurden, fanden nach einer Woche, einem Jahr, zwei und drei Jahren statt [9]. Darüber hinaus wurden die Kosten für jede Versorgung aus Sicht des Patienten oder des Kostenerstatters in US-Dollar (USD) berechnet. Für die Bewertung der Kostenwirksamkeit wurde das inkrementelle Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis herangezogen, das den Kostenunterschied in Abhängigkeit vom Zuwachs oder Verlust an Wirksamkeit, also die Langlebigkeit der Restauration, darstellt.
Die in Italien behandelten Patienten waren im Durchschnitt älter als jene in den anderen Ländern. Insgesamt nahmen mehr Frauen als Männer teil. Während der dreijährigen Studiendauer schieden 32 Patienten aus der Studie aus und bei 21 Patienten (27 Restaurationen) musste die Restauration erneuert werden Die durchschnittliche Überlebensrate der Restaurationen war in allen Kliniken hoch und es gab keine signifikanten Unterschiede in der Langlebigkeit zwischen den beiden Materialien (Tab.?1). In drei der vier Länder waren die Kosten für das Komposit höher, und zwar sowohl bei der Erstversorgung, also beim Legen, als auch langfristig, das heißt über den dreijährigen Beobachtungszeitraum und unter Berücksichtigung von Komplikationen. Betrachtet man die Kostenwirksamkeit (US-Dollar pro Überlebenszeit in Monaten), so war das Komposit in drei der vier Länder teurer als das Glas-Hybrid und hatte keinen relevanten Überlebensvorteil (pro zusätzlichem Überlebensmonat fielen Kosten von 268,50 USD an).