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Lichtblick für selbstständige Poolärzte im Bereitschaftsdienst?

Lichtblick für selbstständige Poolärzte im Bereitschaftsdienst?

Management , Zahnmedizin

Steuer & Recht

mg° dental

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6 MIN

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erschienen in DZW

Ein Kommentar zum Dialogprozess nach dem BSG-Urteil von Jennifer Jessie und Nadine Ettling, Fachanwältinnen für Medizinrecht bei Lyck und Pätzold 

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) im Oktober vergangenen Jahres die Sozialversicherungspflicht eines Poolarztes angenommen hatte, herrschte bei Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) große Unsicherheit, ob die Notfallversorgung unter solchen Bedingungen im bisherigen Umfang aufrecht erhalten bleiben kann. 

Nun haben sich die Beteiligten in einem Dialogprozess auf konkrete Kriterien geeinigt, nach denen keine Sozialversicherungspflicht bestehen soll. Gesetzlich normiert oder gerichtlich bestätigt ist die Einigung indes nicht. Was also soll nun gelten?

Dialogprozess nach Urteil des BSG

Der Dialogprozess war nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Oktober 2023 (B 12 R 9/21 R) gestartet worden, welches für erhebliche Unsicherheit und Aufregung in den KVen geführt hatte. Im Kern hatte das BSG im konkreten Fall entschieden, dass ein ehemaliger Vertragszahnarzt, der seine Praxis verkauft hatte und nur noch als „Poolarzt“ im Notdienst tätig war, nicht selbstständig ist. Einzelne KVen und KZVen sahen sich nach der Entscheidung daher sogar gezwungen, den Notdienst sofort einzuschränken und Poolärzte nicht mehr einzusetzen.

Wie unter anderem aus der Pressemeldung der KBV hervorgeht, hat diese zusammen mit den KVen im Rahmen eines Dialogs am 16. August 2024 mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wichtige Eckpunkte für die versicherungsrechtliche Statusbeurteilung im ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) festgelegt. Damit soll nun einerseits sichergestellt werden, dass Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer Tätigkeit im Notdienst überhaupt als Selbstständige tätig sein können. Zudem soll den KVen gleichzeitig damit auch zukünftig ermöglicht werden, den ärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb der Sprechzeiten für die Patientinnen und Patienten auch mit selbstständigen Poolärzten zu organisieren und sicherzustellen. Im Kern dürfte dies dann auch für den zahnärztlichen Notdienst gelten.

Voraussetzungen für die Selbstständigkeit

Nach Angaben der KBV hat man sich auf drei wesentliche Voraussetzungen für eine selbstständige Notdiensttätigkeit geeinigt:

  1.  Eigene Abrechnung: Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte rechnen die von ihnen im Notdienst erbrachten Leistungen selbst ab, ähnlich wie in ihrer eigenen Praxis. Die Vergütung erfolgt auf Basis der tatsächlich erbrachten Leistungen. Eine leistungsunabhängige Bereitstellungspauschale steht dem nicht entgegen.
  2.  Nutzungsentgelt für Ressourcen: Die KVen stellen Personal, Technik und Räumlichkeiten zur Verfügung, wofür die Ärzte einen angemessenen Betrag zahlen.
  3.  Vertretungsregelung: Ärztinnen und Ärzte können sich durch selbst gewählte und qualifizierte Personen vertreten lassen.

Diese Einigung wird von der KBV als Durchbruch in der Lösungssuche für die Statusbeurteilung im ärztlichen Bereitschaftsdienst bezeichnet. Anhand der beschriebenen Voraussetzungen wird man auch vermuten dürfen, dass dadurch nicht nur die Rechtssicherheit erhöht, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen und auch zahnmedizinischen Versorgung gesichert wird. Denn alle Beteiligten müssten nun wissen, worauf sie zu achten haben, wenn sie den Bereitschaftsdienst außerhalb der Sprechzeiten weiterhin auch mit selbstständigen Poolärzten organisieren wollen.

Wirtschaftliches Risiko der Poolärzte

Am Ende wird es wie immer auf die konkrete Ausgestaltung sowohl der gesetzlichen Regelung einerseits als auch der einzelnen Verträge ankommen und es wird sich auch erst dann zeigen, ob damit die (zahn-)medizinische Versorgung außerhalb der Sprechzeiten besser aufgestellt werden kann und die Statusbeurteilung von Ärzten im Bereitschaftsdienst wirklich geklärt ist. Der Teufel liegt ­bekanntlich im Detail.

Zu bedenken ist, dass nur Vertragsärzte aufgrund ihrer vertragsärztlichen Pflichten angehalten sind, auch am Notfalldienst teilzunehmen. Die sogenannten Poolärzte, also beispielsweise Klinikärzte, die in einer Klinik angestellt sind, oder Ruheständler – wie auch der Zahnarzt im Urteil des BSG – die nur noch zeitweise im Notdienst „aushelfen“, machen dies zusätzlich und freiwillig. KVen und KZVen sind nach eigenen Angaben allerdings gerade auf diese „freiwillige Arztgruppe“ zwingend angewiesen, um den Sicherstellungsauftrag im Rahmen des Notdienstes überhaupt für die Patienten flächendeckend erfüllen zu können.

Bei Anwendung der neuen Voraussetzungen bleibt die Frage, ob der hier gefundene Kompromiss für die freiwillig tätige Arzt- und auch Zahnarztgruppe wirtschaftlich noch attraktiv ist. Denn das wirtschaftliche Risiko wird damit auf die selbstständig tätig werdenden Ärzte und Zahnärzte übertragen. Sie werden danach bezahlt, was sie abrechnen. Es gibt kein festes Stundenhonorar mehr, die Bezahlung erfolgt nach Leistung. Für die Ärzte bedeutet dies: Kommt kein Patient, gibt es nichts abzurechnen. Notfälle sind schließlich nicht planbar.

Welches 
Nutzungsentgelt ist angemessen?

Die Ärzte und Zahnärzte sollen zukünftig ein angemessenes Entgelt für die von den KVen genutzten Ressourcen zahlen. Dieses soll für die KVen nicht kostendeckend sein müssen, darf aber auch nicht nur symbolischen Charakter haben. Welcher Betrag also hier überhaupt angemessen ist und dann auch noch in einem angemessenen Verhältnis zu den möglichen abrechenbaren Leistungen steht, bleibt zunächst offen.

Gerade für die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des selbstständigen Tätigwerdens dürfte dies ein wesentlicher Faktor sein und damit auch für die Frage, ob die Ärzte und Zahnärzte für den Bereitschaftsdienst weiterhin zur Verfügung stehen wollen.

Ausblick in die Zukunft

Am Ende geht es in der Frage, ob selbstständig tätig werdende Pool­ärzte für die Sicherstellung der Notdienste weiterhin zu gewinnen beziehungsweise zu halten sein werden, um die konkrete Ausgestaltung und gesetzliche Normierung der gefundenen Einigung.

Zunächst kann man positiv festhalten, dass erste Schritte zur Klärung gemacht worden sind und dies in verhältnismäßig kurzer Zeit, wenn man bedenkt, dass die Entscheidung des BSG von Ende Oktober 2023 stammt.

Der Weg zur wünschenswerten Rechtssicherheit der Leistungserbringer ist allerdings noch lang. Der gefundene Kompromiss ist genau das: ein Kompromiss. Nun ist der Gesetzgeber gefordert, die gefundene Lösung sicher und praktikabel festzuschreiben. 

Sichere Medizin in einem sicheren System

Sichere Medizin beginnt mit einem sicheren System. Und für ein sicheres System braucht es sichere, klare und zuverlässige Rahmenbedingungen für die hier tätig werdenden (Zahn-)Ärztinnen und (Zahn-)Ärzte. 

Man wird sich anhand der beschriebenen Eckpunkte im Detail also noch einiges einfallen lassen müssen, wenn man selbstständige Poolärzte weiter an Bord haben möchte. Von „Bereitschaft“ im wahrsten Sinne des Wortes wird sonst möglicherweise nicht mehr die Rede sein können.
Es bleibt zu hoffen, dass der Gestaltungswille und -einsatz der handelnden Akteure erhalten bleibt und den Worten nach mehr Sicherheit und Klarheit auch Taten folgen werden, welches in Erfüllung des Sicherstellungsauftrags nach Paragraf 75 SGB V wirklich zu einer sicheren medizinischen Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten führt.

Jennifer Jessie, Nadine Ettling, 
Rechtsanwältinnen und Fachanwältinnen für Medizinrecht, 
Bad Homburg  
   
www.medizinanwaelte.de

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