Abenteuer Praxisabgabe: Horst Willeweit zur Praxisabgabe und wie sich Abgeber wie Übernehmer vorbereiten sollten
Wie beim Wechsel der Jahreszeiten kommt auch der Herbst der Berufsausübung in freier Zahnarztpraxis oft zu früh – muss aber gleichwohl angegangen werden. Wollen Praxisinhaber den erarbeiteten Wert ihrer Praxis (Substanzwert) und den ideellen Wert (Goodwill) als Erlös verwirklichen, zeichnet planvolles Vorgehen den Weg.
Aus mehr als vierhundert Praxiswertermittlungen zeigt der Autor hier Eckpunkte und Abfolge der einzelnen Handlungsschritte auf. Standen Existenzgründern bei der Niederlassung zum Berufsstart ganze Gruppen von Dienstleistern und Lieferanten zur Verfügung (es gab ja etwas zu verkaufen), so ist bei Praxisabgabe die Angebotslage eher dünn und auch fachlich flach besiedelt.
Zeitpunkt und Ziel ermitteln
Zuerst gilt es, im stillen Kämmerlein mit der Familie das Ziel der Beendigung der Berufstätigkeit zu definieren. Gut, wenn die drei letzten Jahres-BWAs sowie die KZV-Leistungsstatistik des vergangenen Jahres sowie die AfA-Liste der Buchwerte des materiellen Teils sowie der Praxismietvertrag bereitgelegt werden. Es mag auch der Gedanke kommen, die Praxis im Sinne einer Begünstigung der Akzeptanz aufzuhübschen oder gar Geräte im Sinne der Gesamtwertsteigerung neu anzuschaffen. Wichtig ist auch die Überprüfung des eigenen Erscheinungsbildes der Praxis. Da mag gelegentlich ein Upgrade für den Internetauftritt, Drucksachen, Beschilderung, Praxiskleidung bis hin zur Dekoration im Rahmen der Überarbeitung des Corporate Designs heilsam sein.
Was den Übernehmer interessiert
Für potenzielle Praxisübernehmer ist auch die Alterspyramide der Patienten von Interesse. Wird ein Veräußerungskatalog, bestehend etwa aus dezidierter Wertermittlung, Lebensqualität am Ort, Beschreibung der Wettbewerbslage im Einzugsgebiet, den Interessen aus Sicht junger Familien in einer Art Präsentationsschuber als Handout bereitgehalten, kann dies den Entscheidungsprozess beschleunigen. Zudem haben die Berater der Übernahmeinteressenten damit eine einheitliche Grundlage für die Beratung der jungen Nachfolgerinnen oder Nachfolger. Zu nennen sind beispielsweise Finanzdienstleister, Steuerberater, Dentaldepots, Familie, Kollegen, Versicherer. Das schafft Sicherheit und ermöglicht der in Sachen Existenzgründung ja unerfahrenen Nachfolger, selbst zu verifizieren.
Die Praxis im Markt präsentieren
Nach solcher Vorbereitung gilt es, Interessenten einzuwerben. Der Statistik nach werden das zu rund 80 Prozent Zahnärztinnen sein. Hier kann es hilfreich sein, wenn die abzugebende Praxis für den Weiterbetrieb als Doppelpraxis ausgewiesen werden kann. Im Zweifel im (preisgünstigen) Schichtdienst. Die familiären Zusammenhänge wie auch der Markt, erfordern solche Gedanken.
Anzeigen können im Kleinanzeigenteil der Fachtitel geschaltet werden. Auch die Angebote der sogenannten Praxisbörsen der Zahnärztekammern können genutzt werden. Chancenreicher ist es erwiesenermaßen, professionell gestaltete, augenfällige Anzeigen zu schalten. Kommunikationsdesigner helfen da. Eine Dreierserie pro Titel, über einen gewissen Zeitraum geschaltet, erhöht den Aufmerksamkeitswert wesentlich. Ja, das kostet, ist aber im Wirtschaftsleben völlig normal, wenn zum Beispiel 5 oder 10 Prozent eines Zielerlöses für die Akquise/die Werbung investiert werden. Zumal wenn es um eine berufslebenslange Entscheidung geht.
Kommt es dann zu ersten Besichtigungs-/Kennenlernterminen, sollten auch die Abgeber gut vorbereitet sein; Treffen sollten zu den normalen Geschäftsöffnungszeiten des Praxisumfelds wochentags terminiert werden. Halten Abgeber und Interessenten ihre schriftlich fixierten Interessenspunkt aneinander, kann das Entscheidungen beschleunigen. Geht man mit einem festen Folgetermin auseinander, schafft das Verbindlichkeit. Dabei ist es sinnvoll, komplette Kontaktdaten – auch die privaten Kontaktdaten – auszutauschen.
Eine Praxisübergabe braucht Planung und Zeit
Die Ausreichung eines Kaufvertrags muss selbstverständlich die Fortsetzung des Mietvertrags, betrachtet mit den Augen des Übernehmers wie des Finanzierers, beinhalten. Bevor ein Kaufinteressent den Kaufvertrag für die abzugebende Praxis unterzeichnet, beschafft er sich vernünftigerweise eine Finanzierungszusage für die Transaktion. Diese Zusage, in Kopie an den Praxisverkäufer gegeben, sichert ab. Was das konkrete Übergabedatum (nicht selten ein Quartalsbeginn) betrifft, sollten Käuferinnen oder Käufer den Terminplan der Einreichung (mit deren Begleitpapieren) des Zulassungsausschusses der KZV berücksichtigen. Bisweilen tagt der nur viermal pro Jahr. Etwa zeitgleich mit der Beantragung der Neuzulassung wird der Praxisabgeber seine Zulassung für die bisherige Tätigkeit zurückgeben müssen.
Will der Abgeber nach der Praxisabgabe weiterhin zahnärztlich tätig sein, zum Beispiel angestellt in Teilzeit, so ist dafür ein Neuantrag bei der KZV inklusive aktuellem polizeilichem Führungszeugnis notwendig. Aber Achtung: Hinsichtlich der Nutzung der erheblichen steuerlichen Vorteile aus dem Verkaufserlös bei Praxisaufgabe ist steuerlicher Rat einzuholen. Es gibt Begrenzungen für Folgetätigkeiten. So hat eine der beendeten Selbstständigkeit gleichgelagerte Berufsausübung zu unterbleiben.
Eine Abgabe, gut vorbereitet, wird zwei Quartale benötigten. Addiert man den Zeitraum, den die Übernehmerschaft für deren Vorbereitung benötigt, hinzu, sollten mindestens zwölf Monate zur Verfügung stehen. Hinzurechnen muss man die Werbephase bis zur Interessentenmeldung. In dieser Zeit gilt es, das Fachpersonal an Bord zu halten, denn Praxen ohne Fachpersonal sind schlicht unverkäuflich. Es wurden schon Praxen als vorgebliche Zweigpraxen gekauft, nur um das Personal übernehmen zu können, und anschließend geschlossen.
Der Zeitraum rund um die Abgabevorbereitung wird auch bestimmt durch ein etwa 35 Positionen umfassendes Erledigungsprogramm. Als Beispiel und Grundlage kann es beim Autor auf www.willeweit.de angefordert werden.
Horst Willeweit, Bielefeld