Im Laufe der Jahre verändern nicht nur wir uns und passen uns an unsere Umwelt an, auch unsere Zähne durchlaufen solche Phasen. In dem vorliegenden Beitrag konzentrieren sich die Autoren auf die Rekonstruktion eines alten Frontzahns. Dieser war verlorengegangen und musste implantatprothetisch ersetzt werden. Hilfreich waren dabei die verbliebenen Nachbarzähne, die wertvolle Informationen lieferten. Dabei ist es wichtig, die relevanten Merkmale zu identifizieren und auf die Restauration zu übertragen.
Klinische Phase
Bei dem Patienten handelte es sich um einen 49-jährigen Mann, Raucher (mehr als eine Packung pro Tag), mit einer Parodontalerkrankung, die vor drei Jahren diagnostiziert und behandelt worden war. Er wurde wegen des plötzlichen Verlusts seines Zahns 25 in der Klinik vorstellig. Im Rahmen der Untersuchung wurde zudem ein Mobilitätsgrad 3 an Zahn 22, aber auch an Zahn 12 konstatiert. Um den fehlenden Zahn 25 zu ersetzen, wurde ein Implantat in Betracht gezogen. Im Verlauf der weiteren klinischen Untersuchung wurden harte und weiche Konkremente und drei Amalgamfüllungen festgestellt. Ein näheres Screening und die Sondierung ergaben, dass weder Parodontaltaschen noch eine aktive Parodontalerkrankung vorlagen. Der Patient wurde über seine Situation informiert und eine Panoramaröntgenaufnahme angefertigt (siehe Abb.1). Um zusätzlich zu prüfen, ob eine Implantation risikofrei durchführbar wäre und wie es um die Prognose bestellt sein würde, war auch eine DVT indiziert. Zudem wurde der Patient über die Risiken des Rauchens und die damit verbundenen möglichen Komplikationen sowie den Status der Parodontalanamnese aufgeklärt. Die Panoramaröntgenaufnahme zeigt die Merkmale einer älteren parodontalen Vorerkrankung. Die Alveole des Zahns 22 wies keinen Kontakt zum Knochen und Zahn 12 nur noch Knochen um den Apex herum auf (Abb.1). Bei der Auswertung der DVT-Aufnahme wurde hinsichtlich der Länge und Breite ein gutes Knochenangebot für eine Implantation festgestellt, sodass der Zahn 22 extrahiert und in dieser Region implantiert werden konnte. Es wurde daher beschlossen, neben dem Zahn 25 wegen dessen Verlusts der Patient die Praxis ursprünglich konsultiert hatte auch den Zahn 22 implantatprothetisch zu rekonstruieren. Die prothetische Herausforderung im ästhetisch sichtbaren Bereich ist der Grund dafür, in diesem Artikel lediglich die Versorgung des Implantats in regio 22 zu beschreiben. Inseriert werden sollte dort ein Sweden & Martina Premium One-Implantat mit einem Durchmesser von 4,25 und einer Länge von 11,5?mm. Für ein bestmögliches Implantationsergebnis wurde das Implantat sofort nach der Extraktion des hochmobilen und als nicht erhaltungswürdig eingestuften Zahns 22 inseriert. Die Vorteile der Sofortimplantation wurden erstmals von Prof.?Dr.?Willi Schulte von der Universität Tübingen beschrieben. Der verbliebene Raum zwischen der Extraktionsalveole und dem Implantat wurde mit einer anorganischen porcinen Knochenmineral-Matrix (MinerOss XP, Camlog) mit dem Volumen 0,5 aufgefüllt. In der Abbildung 2 ist die Situation nach Insertion des Schweden & Martina Premium One-Implantats dargestellt. Nach vier Monaten Einheilzeit waren die Gewebe bereit und der Patient konnte definitiv versorgt werden.
Laborphase
Nach dem Einheilen des Implantats fertigte der behandelnde Zahnarzt Aufnahmen der Situation mit einer DSLR-Kamera an und nahm Abformungen. In dieser Sitzung fotografierte er die Zähne auch mit vorgehaltenen Farbmusterzähnen und sendete alle Fotografien sowie die Abformungen an das Labor. Im Labor wurden die Fotos und Abformungen sowie die darin enthaltenen Informationen benötigt, um eine möglichst unsichtbare implantatprothetische Versorgung herstellen zu können.
Zunächst wurde das Oberkieferfrontzahnsegment mitsamt dem darin befindlichen Abformpfosten und aufgeschraubten Laboranalog ausgegossen. Nach dem Aushärten des Gipsmodells konnte ein Abutment aufgeschraubt und ein diagnostisches Wax-up modelliert werden. Das Emergenzprofil wurde dabei entsprechend des gewünschten Austrittsprofils am Gipsmodell konturiert (Abb.3a). Daraufhin wurde entsprechend dieser Konturierung eine abnehmbare Zahnfleischmaske angefertigt. Allerdings zeigte sich, dass sich das Wax-up mit aufgesetzter weichbleibender Zahnfleischmaske nicht mehr exakt reponieren ließ (Abb.3b und c). Aus diesem Grund musste die abnehmbare Zahnfleischmaske entsprechend der zuvor festgelegten Kontur des Austrittsprofils beschliffen werden, sodass sich das Wax-up wieder exakt zurücksetzen ließ (Abb.4a bis c). Eine abnehmbare Zahnfleischmaske ist hilfreich, um den exakten Sitz des Implantataufbaus auf dem Implantats überprüfen zu können.
Nach der Adaption und dem Zurücksetzen des Wax-ups konnte die Situation mit einem Silikonschlüssel gesichert werden. Dadurch erhält man eine anatomische Schablone der angestrebten Restauration (Abb.5a). Diese Schablone lässt sich beliebig beschneiden, sodass sie je nach Bedarf für jedwede Zwischenschritte und zur Kontrolle der finalen Dimensionen jederzeit herangezogen werden kann. So zum Beispiel, um die Platzverhältnisse der Gerüststruktur überprüfen zu können. Zunächst nutzten wir den Schlüssel, um das Wax-up gezielt für das Gerüst reduzieren zu können. So schafften wir ideale Platzverhältnisse für die spätere Keramikverblendung (Abb.5b und c).
Die Implantatkrone sollte metallkeramisch gelöst werden, was wiederum bedeutete, dass für die entsprechend designte Implantatkrone ein CAD/CAM-gestützt gefertigtes Abutment (vorgefertigt, Schweden & Martina) mit einer Metallkeramik (Ceramco 3, Dentsply Sirona) verblendet werden musste. Es wurde eine zementierte Lösung gewählt, weshalb es keinen Schraubenkanal gab und somit keine Probleme mit dessen Austritt gelöst werden mussten. In den Abbildungen 6a und 6b sind die DSLR-Aufnahmen des Behandlers dargestellt. Die Referenzfarbmuster vermitteln die ungefähre Zahnfarbe, aber nicht alle Informationen und Merkmale, die für die Rekonstruktion des natürlichen Zahns vonnöten sind. Indem man die Belichtung reduziert und den Kontrast sowie die Brillanz in einem Bildbearbeitungsprogramm wie Lightroom (Adobe) erhöht, lässt sich die Histoanatomie des natürlichen Zahns besser darstellen (Abb.6c).
Begutachtung und Analyse der verbliebenen Zähne
Auf Wunsch des Patienten sollte der zu rekonstruierende laterale Schneidezahn die Charakteristika des mittleren Inzisiven 21, also seines direkten Nachbarzahns aufweisen. Normalerweise hätte man sich an dem noch verbliebenen lateralen Schneidezahn im ersten Quadranten orientiert, doch leider war auch dessen Zustand nicht ideal, sodass auch dieser in Bälde rekonstruiert werden sollte (Abb.7a und b). Bei der eingehenden Betrachtung des Zahns 21 stellten wir zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit den vom Zahnarzt gewählten Farbmusterzähnen fest, erkannten aber auch relevante Unterschiede. Aus diesem Grund starteten wir die laborseitige Analyse mit polarisierten Aufnahmen (Abb.8a und b). Da der Patient 49 Jahre alt war, suchten wir gezielt nach charakteristischen Merkmalen natürlicher älterer Zähne und und wurden auch fündig.