Newsletter

service@mgo-fachverlage.de

+49 8243 9692-0

»

»

»

High-Tech-Material heißt nicht automatisch High-End-Resultat

High-Tech-Material heißt nicht automatisch High-End-Resultat

Fachartikel , Zahntechnik

Ästhetik

mg° dental

Autor

7 MIN

Anmelden zum Favorisieren

Erschienen in Dental Dialogue

Je spezialisierter Zirkonoxid wird, desto weniger ist allein das Material der Erfolgsgarant. Um die Qualitätslücke zwischen „akzeptabel“ und „herausragend“ zu schließen, bedarf es mehr. Dieses „Mehr“ steht im Fokus der Artikelserie „Zirkonoxid³“. Teil 1 widmet sich dem Phänomen selbst.

Hand aufs Herz; das erleben viele im Laboralltag: Da ist es nun, das neueste Zirkonoxid – gekauft nach ausführlicher Recherche, versehen mit beeindruckenden Kennwerten zu Biegefestigkeit, Transluzenz etc. Und doch: Die fertige Restauration erfüllt einfach nicht alle Erwartungen. Sie funktioniert, sie ist stabil, sie ist ästhetisch akzeptabel. Aber es fehlt dieser letzte Schliff, diese besondere Brillanz mit subtilen Lichtspielen.

Ein Grund für das Zirkonoxid-Paradox – High-Tech-Material bedeutet nicht automatisch High-End-Resultat – liegt in der Entwicklung des Werkstoffs selbst: Wer heute „Zirkonoxid“ sagt, meint längst nicht mehr nur EINEN Werkstoff. Allein das Unternehmen Dental Direkt bietet mehr als 430 Zirkonoxid-Varianten in zwei Ästhetiklinien an. Weltweit konkurrieren etwa 20 führende Hersteller mit eigener Produktion um Marktanteile – ergänzt durch Distributoren und Handelsmarken. Was vor einem Jahrzehnt als übersichtliches Angebot begann, hat sich zu einem kaum durchschaubaren Spektrum entwickelt: von hochfestem 3Y-TZP über die ästhetische 4Y-TZP-Variante bis zu transluzenten 5Y-TZP-Materialien mit 50 % kubischer Phase für natürliche Lichtdynamik und Hybrid-Zirkonoxiden (Varianten-Zirkonoxid). Für Dentallabore bedeutet die Materialvielfalt Segen und Herausforderung zugleich.

Warum Werkstoff-Exzellenz ­allein nicht genügt

Der Sprung vom einfachen Gerüstwerkstoff zum nuancierten Ästhetikmaterial hat die Anforderungen an die Zirkonoxid-Verarbeitung im Dentallabor neu definiert. „Zirkonoxide besitzen heute eine komplexe Mikrostruktur mit teils kubischen Phasen für hohe Ästhetik, was sie sensibel in der Verarbeitung macht“, erläutert ­Christina Voß, Leiterin Forschung und Entwicklung bei Dental Direkt. Die ausgeklügelte Rezeptur ermöglicht eine Balance zwischen mechanischer Belastbarkeit und lichtoptischer Dynamik, erfordert jedoch ein tiefes Verständnis für die Bearbeitungsparameter.

Im Herzen Ostwestfalen-Lippes hat sich ein Kompetenzzentrum für Zirkonoxid entwickelt. Hier haben Dental Direkt in Spenge, einer der führenden Anbieter von Zirkonoxid in Europa, und Komet Dental in Lemgo, Spezialist für rotierende Werkzeuge, ihre Expertise in einer Kooperation gebündelt — zwei Expertisen, ein Ziel. Werkstoff trifft Werkzeug! In Labortests, Materialanalysen und Bearbeitungsversuchen erforschen Experten beider Unternehmen die subtilen Wechselwirkungen zwischen Material und Werkzeug. Zentrale Erkenntnis: Der Multiplikator-Effekt bestimmt die Qualität der Restaurationen.

Gemeinsamer Workshop mit Anwendern: Dental Direkt (Lisa Freiberg) und Komet Dental (Dennis Huck) sensibilisieren für das Zusammenspiel von Material und Werkzeug. Alle Bilder: (c) Dental Direkt
Gemeinsamer Workshop mit Anwendern: Dental Direkt (Lisa Freiberg) und Komet Dental (Dennis Huck) sensibilisieren für das Zusammenspiel von Material und Werkzeug. Alle Bilder: (c) Dental Direkt

Marianna Schmalstieg (Forschung und Entwicklung, Dental Direkt) geht auf werkstoffkundliche Basics ein.
Marianna Schmalstieg (Forschung und Entwicklung, Dental Direkt) geht auf werkstoffkundliche Basics ein.

Austausch während des Workshops: Anwender aus Laboren, Experten von Komet und Dental Direkt sowie externe Spezialisten diskutieren gemeinsam über Herausforderungen und Lösungen bei der Zirkonoxid-Bearbeitung.
Austausch während des Workshops: Anwender aus Laboren, Experten von Komet und Dental Direkt sowie externe Spezialisten diskutieren gemeinsam über Herausforderungen und Lösungen bei der Zirkonoxid-Bearbeitung.

Erfolgsformel: Zirkonoxid³ = Werkstoff × Werkzeug × Mensch

Einen guten Vergleich bietet ein Hochleistungscomputer: Die schnellste CPU und die beste Grafikkarte nützen wenig, wenn die Software nicht optimiert ist oder der Anwender die Programme falsch konfiguriert. Nur ein einziger Bottleneck – sei es bei Hardware, Software oder Anwender – bremst die Gesamtleistung aus. Bei Zirkonoxid-Restaurationen zeigt sich ein ähnliches Phänomen.

Zirkonoxid³ steht für die Verbindung aus Werkstoff × Werkzeug × Mensch. „Der entscheidende Qualitätssprung entsteht durch einen Multiplikationseffekt“, sagt Balazs Vegh, Head of Business Development bei Dental Direkt. „Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig.“ Die Erkenntnis mag zunächst trivial erscheinen. Doch der hektische Laboralltag führt manchmal zu Kompromissen – und oft ausgerechnet da, wo es auf das feine Zusammenspiel aller Faktoren ankommt.

Die Tücken der Komplexität

Nicht nur der Werkstoff selbst, die gesamte zahntechnische Prozesskette hat sich zu einem filigranen Netzwerk entwickelt. Kein Rädchen funktioniert ohne das andere. So kann beispielsweise eine fehlerhafte Oberflächenbearbeitung strukturelle Schäden im Zirkonoxid verursachen, die sich auf die klinische Lebensdauer der Restauration auswirken:

  • Lokale Überhitzung oder zu hoher Anpressdruck können Mikrorisse bzw. Gefügeschäden verursachen, die Langzeitstabilität beeinträchtigen und das Frakturrisiko erhöhen.
  • Falsche Bearbeitungsparameter stören das Gleichgewicht der Kristallstruktur und lösen unerwünschte Phasenumwandlungen aus, welche die mechanische Stabilität verringern.

Nur einige Gründe dafür, um bei der Verarbeitung nichts dem Zufall zu überlassen. „Wenn Werkzeug und Werkstoff abgestimmt sind, erfolgt die Bearbeitung schonend und effizient“, so Dennis Diekmann, Produktmanager bei Komet Dental. „Bei der Entwicklung unserer Werkzeuge analysieren wir Werkstoffe und richten Diamantierung, Korngrößen, Geometrien sowie Anwendungsempfehlungen auf deren Eigenschaften aus.“

Die drei Dimensionen der 
Zirkonoxid-Verarbeitung

  1. Der Werkstoff-Faktor
    Die erste Generation Zirkonoxid (3Y-TZP-A mit etwa 0,25 Gew.-% Al₂O₃) hat hohe Festigkeit bei geringer Transluzenz. Die zweite Generation (3Y-TZP-LA mit reduziertem Al₂O₃-Gehalt) steigert die Transluzenz bei nahezu gleichbleibender Festigkeit. Die dritte Generation (5Y-TZP mit etwa 5 Mol.-% Y₂O₃) erhöht mit einem Anteil von ca. 50 % kubischer Phase die Transluzenz erheblich, bei reduzierter Festigkeit. Die vierte Generation (4Y-TZP) kombiniert höhere Transluzenz mit ausreichender Festigkeit für umfangreichere Restaurationen. Von der ersten Generation bis zu hybriden Multilayern hat sich Zirkonoxid vom funktionalen Gerüstwerkstoff zum vielseitigen Gestaltungswerkstoff entwickelt. „Die Unterschiede liegen nicht nur in Festigkeit und Transluzenz“, so Christina Voß. „Zirkonoxide wie DD cubeY HL vereinen verschiedene Yttrium-Anteile in einem Rohling und sind in mehreren Farb- und Transluzenzschichten erhältlich. Hier steckt der Teufel im Detail. Nesting, Sintern oder Finish: Jeder Schritt will durchdacht sein.“
  2. Der Werkzeug-Faktor
    Der Griff zum Lieblingsfräser ist Routine. Doch gerade moderne Zirkonoxide stellen diese Gewohnheit auf die Probe. Sie werfen die kritische Frage auf, ob das Altvertraute das Potenzial anspruchsvoller Hochleistungskeramik ausschöpfen kann. „Zirkonoxid reagiert sensibel auf Bearbeitungsparameter“, sagt Dennis Diekmann. „Speziell entwickelte, diamantbeschichtete Werkzeuge wie die Etna-Schleifer und -Polierer bieten entscheidende Vorteile: Die Diamantkörnung und optimierte Bindung minimieren die thermische Belastung.“ Zudem sind Drehzahl und Anpressdruck entscheidend.
  3. Der Mensch-Faktor
    Moderne Zirkonoxide bieten großartige Möglichkeiten, verlangen jedoch Sensibilität für den Werkstoff. Dental Direkt und Komet arbeiten gemeinsam daran, sichere Bearbeitungsstrategien zu definieren. Ob Fortbildungen, Verarbeitungsleitfäden oder Tutorials – die Zusammenarbeit schafft echte Mehrwerte für Anwender. Werkstoffwissenschaftler, Dentaltechnologen und Zahntechniker testen verschiedene Bearbeitungsstrategien; vom Heraustrennen aus dem Blank, dem Ausarbeiten im Weißzustand bis zur Politur analysieren sie jeden Prozessschritt. Die Erkenntnisse fließen in konkrete Empfehlungen für den Laboralltag ein.
Werkzeug trifft Werkstoff: Bearbeitung von Zirkonoxid vor dem Sintern. Hier eignen sich feine Hartmetallfräser, mit denen der Werkstoff mit wenig Anpressdruck bearbeitet werden kann. ...
Werkzeug trifft Werkstoff: Bearbeitung von Zirkonoxid vor dem Sintern. Hier eignen sich feine Hartmetallfräser, mit denen der Werkstoff mit wenig Anpressdruck bearbeitet werden kann. …

... Wichtig: Trocken arbeiten. Zirkonoxid-Staub mit weichem Pinsel entfernen (kein Dampfstrahler!).
… Wichtig: Trocken arbeiten. Zirkonoxid-Staub mit weichem Pinsel entfernen (kein Dampfstrahler!).

Checkliste Zirkonoxid-
Verarbeitung

  • Ausarbeitung im Weißlingszustand: Verwenden Sie feine Hartmetallfräser und arbeiten Sie mit geringem Druck. Entfernen Sie Zirkonoxidstaub vor dem Sintern (ohne Dampfstrahler).
  • Nachbearbeitung im gesinterten Zustand: Vermeiden Sie aggressive Bearbeitungsmethoden. Verwenden Sie speziell für Zirkonoxid entwickelte, diamantierte Werkzeuge. Bei Korrekturen arbeiten Sie mit Wasserkühlung und geringem Druck.
  • Oberflächen-Finish: Ein mehrstufiges Polierprotokoll optimiert die Oberflächentopografie und ermöglicht einen Oberflächenglanz bei minimaler Hitzeentwicklung.

Werkstoffgerechte Bearbeitung von Zirkonoxid im Überblick: Restauration im Weißlingszustand; Ausarbeiten mit Hartmetallfräsern. Die Bearbeitung der gesinterten Brücke mit einem diamantierten Schleifkörper (DCB-Schleifer). Finishing mit einer Etna-Polierscheibe für die Hochglanzpolitur. Mehr dazu in Teil 2 und 3 mit erprobten und konkreten Insider-Tipps.

Werkstoffgerechte Bearbeitung von Zirkonoxid im Überblick: Restauration im Weißlingszustand; Ausarbeiten mit Hartmetallfräsern. Die Bearbeitung der gesinterten Brücke mit einem diamantierten Schleifkörper (DCB-Schleifer). Finishing mit einer Etna-Polierscheibe für die Hochglanzpolitur. Mehr dazu in Teil 2 und 3 mit erprobten und konkreten Insider-Tipps.

Werkstoffgerechte Bearbeitung von Zirkonoxid im Überblick: Restauration im Weißlingszustand; Ausarbeiten mit Hartmetallfräsern. Die Bearbeitung der gesinterten Brücke mit einem diamantierten Schleifkörper (DCB-Schleifer). Finishing mit einer Etna-Polierscheibe für die Hochglanzpolitur. Mehr dazu in Teil 2 und 3 mit erprobten und konkreten Insider-Tipps.
Werkstoffgerechte Bearbeitung von Zirkonoxid im Überblick: Restauration im Weißlingszustand; Ausarbeiten mit Hartmetallfräsern. Die Bearbeitung der gesinterten Brücke mit einem diamantierten Schleifkörper (DCB-Schleifer). Finishing mit einer Etna-Polierscheibe für die Hochglanzpolitur. Mehr dazu in Teil 2 und 3 mit erprobten und konkreten Insider-Tipps.

​​

Ausblick: Ein Universum der Möglichkeiten

Die Weiterentwicklung von Werkstoffen und Technologien macht Zahntechnik zweifellos komplexer. Doch durch Partnerschaften bleibt die Komplexität beherrschbar. Die Lösung liegt nicht in immer neuen Werkstoffen, sondern in der Fähigkeit, sie zu verstehen und sinnvoll einzusetzen. Die kommenden Artikel dieser Serie steigen tiefer in die Faktoren der Formel „Zirkonoxid³“ ein.

Teil 2 widmet sich dem „Werkstoff-Faktor“ und erläutert die Wahl des optimalen Zirkonoxid-Typs für die jeweilige Anwendung. In Teil 3 wird der „Werkzeug-Faktor“ beleuchtet und vorgestellt, mit welchen Fräsern und Polierern sich Zirkonoxid am besten bearbeiten lässt. Abschluss bildet Teil 4 mit dem „Mensch-Faktor“ – wie Wissen und Training helfen, das volle Potenzial von Zirkonoxid auszuschöpfen.

Weitere Beiträge zu diesem Thema

High-Tech-Material heißt nicht automatisch High-End-Resultat

Ästhetik

Je spezialisierter Zirkonoxid wird, desto weniger ist allein das Material der Erfolgsgarant. Um die Qualitätslücke zwischen „akzeptabel“ und „herausragend“ zu schließen, bedarf es mehr. Dieses „Mehr“ steht im Fokus der Artikelserie „Zirkonoxid³“. Teil 1 widmet sich dem Phänomen selbst.

Fachartikel, Zahntechnik

Beitrag lesen

Hauchdünn und gestochen scharf

Ästhetik

Wie im CAD/CAM-Workflow und mit der Feinstruktur-Feldspatkeramik Vitablocs TriLuxe forte eine Fertigung von grazilen Non-Prep-Veneers gelingt, zeigt in diesem Beitrag das Team vom Labor Highfield.Design.

Fachartikel, Zahntechnik

Beitrag lesen

Das Spiel von Material und Licht

Ästhetik

Wenn minimale Schichtstärken auf maximale ästhetische Ansprüche treffen, ist das zahntechnische Können gefragt. Ztm. Giuliano Pulicati zeigt, wie er im engen Teamwork sowie mit einer durchdachten Kombination analoger und digitaler Techniken ästhetische Veneers realisiert.

Fachartikel, Zahntechnik

Beitrag lesen