Mit einer außergewöhnlichen Dokumentation eines (fiktiven) Patientenfalles belegte Patricia Strimb vom Augsburger Labor Highfield.Design den 1. Platz beim renommierten Panthera Master Cup 2023. Wir haben ihre Dokumentation in eine mehrteilige Filmstory aus Text und Bild verwandelt. In Teil 1: der „Plot“, das „Drehbuch“ und die „Vorproduktion“.
Patricia Strimb gehört zu einer Generation von Zahntechnikern, die ihr Handwerk nicht nur beherrschen, sondern auch neue Wege in der Kommunikation gehen. Die junge Zahntechnikerin, die sich durch Erfolge bei verschiedenen Wettbewerben einen Namen gemacht hat, gewann mit dem hier vorgestellten Fall den Panthera Cup 2023. Der internationale Wettbewerb gilt als einer der anspruchsvollsten zahntechnischen Challenges (vgl. Kasten Wissenswert). Die Teilnehmenden müssen nicht nur technische Exzellenz beweisen, sondern ihre Fähigkeit zur ganzheitlichen Behandlungsplanung und ästhetischen Umsetzung unter Beweis stellen. Patricia Strimb überraschte die Jury mit einem ungewöhnlichen Konzept: Sie inszenierte ihren Fall wie einen Hollywood-Film – mit einer spannenden Story, informativen technischen Details und einem spektakulären Finale. In diesem Artikel nimmt sie uns mit auf diese Reise. Aber Achtung: Es wird emotional und auch leidenschaftlich, so wie es sich für einen Hollywood-Klassiker gehört.
Der Prolog
„Die Prothetik ist eine große Bühne – und ich führe Regie.“ Mit dieser Überzeugung begann ich die Arbeit für dieses besondere Projekt: die Wettbewerbsteilnahme am Panthera Cup. Statt eines realen Patientenfalls sollte eine zahntechnische Vision anhand einer Phantomarbeit präsentiert werden. Als Zahntechnikerin weiß ich: Jede prothetische Arbeit braucht ihre Geschichte, ihre eigene Inszenierung – wie ein Drehbuch für einen Kinofilm. Eine ästhetisch-funktionelle prothetische Versorgung ohne Patientin wäre wie ein Kinofilm ohne Musik, ohne Hauptdarsteller und ohne Liebesgeschichte. Also entschied ich mich für ein mentales Drehbuch mit einer fiktiven Schauspielerin: Menaka S. – ihr Name bedeutet „himmlische Frau“. Eine großgewachsene Frau mit indischen und englischen Wurzeln. Wie bei jedem guten Film braucht es eine durchdachte Dramaturgie: Und was das Drehbuch für den Film ist, das ist das Backward Planning für die Prothetik. Also lehnen Sie sich zurück, schnappen Sie sich Popcorn und genießen Sie die Geschichte.
Die Story: Der prothetische Plot
Unsere Geschichte beginnt mit einer genetisch bedingten Ausgangssituation: Menaka S. verlor in jungen Jahren sukzessive ihre Zähne. Mehrfach wurde sie mit ästhetisch hochwertigen Teilprothesen versorgt, später mit Totalprothesen im Ober- und Unterkiefer. Für Außenstehende war kaum erkennbar, dass sie „dritte Zähne“ trug. Doch Menaka S. entschied sich für eine Implantatversorgung – sie wollte endlich festsitzende Zähne und mehr Selbstvertrauen vor der Kamera (Abb. 1 und 2).
„Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch“ – dieser Grundsatz wurde zur Basis der zahntechnischen Reise. Die Herausforderung war komplex: im Oberkiefer eine steggetragene Prothese auf fünf Implantaten mit abnehmbarer Struktur und im Unterkiefer eine verschraubte, bedingt abnehmbare Brücke auf vier Implantaten (Abb. 3 und 4). Eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht nur technische Präzision, sondern ein Verständnis für Ästhetik und Funktion erforderte sowie empathisches Feingefühl. Der erste Schritt unserer Reise sollte die sorgfältige Planung sein – im Film beginnt alles mit einem durchdachten Drehbuch, unserer Planungsphase.
Das Drehbuch: Die Planungsphase
„Das Gesicht formt die Zähne, die Lippen sind ihr Tor.“ Der erste Schritt war ein 3D-Gesichtsscan, der mir die Möglichkeit gab, Menaka S. in ihrer Individualität zu erfassen. Wie auf einem Filmset musste jedes Detail stimmen: die Proportion ihres schmalen Gesichts, die Lippendynamik, die harmonische Lachlinie. Doch eine perfekte Inszenierung braucht mehr als eine gute Geschichte – sie braucht ein präzises Drehbuch. In meinem zahntechnischen Alltag heißt dieses Drehbuch „Modellanalyse nach Prof. Gerber“. Die Modellanalyse ist meine Orientierung, mein Wegweiser durch die komplexe Anatomie des Kiefers. Wie ein Regisseur die Szenen plant, analysieren wir die räumlichen Beziehungen, studieren die funktionellen Bewegungen und entdecken die ästhetischen Möglichkeiten, die uns der Patient vorgibt.
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theoretische Aspekte von Schönheit, Zähnen und deren Beziehung
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Regieanweisungen –
Die Wünsche der Hauptdarstellerin
Die Wünsche unserer Protagonistin waren so präzise wie anspruchsvoll: keine bläulich-transluzenten Schneidekanten, keine Mamelons, keine Wachstumsrillen. Stattdessen längsverlaufende Oberflächenstrukturen, welche die Schlankheit ihres Gesichts betonen sollten. Eine einheitliche Zahnfarbe A1, kleine, subtile Unregelmäßigkeiten in den Schneidekanten und – als besonderes Highlight – ein Edelstein im inzisalen Drittel vom Zahn 22, diagonal ausgerichtet zum Nasenschmuck. „Durch den Edelstein wird mein Lächeln noch mehr strahlen“, war ihre Überzeugung. So detaillierte Patientenvorstellungen erleben wir selten. Man spürt, dass sich unsere Protagonistin durch ihre jahrelange Erfahrung intensiv mit ihrer Situation auseinandergesetzt hat. Ihre Wünsche waren wie ein detailliertes Regiebuch – eine Basis für die prothetische Choreografie (Abb. 5 bis 7).
Vorteile der 3D-Gesichtsanalyse in der modernen Prothetik
- Präzise digitale Erfassung der individuellen Gesichtsanatomie ermöglicht eine detaillierte Analyse aller ästhetisch relevanten Parameter.
- Exakte Vermessung der fazialen Strukturen schafft die Basis für ein tiefes Verständnis der patientenspezifischen Anforderungen.
- Individuelle Gestaltung der Zahnrestaurationen durch direkte Übertragung der Gesichtsproportionen in die digitale Planung.
- Deutlich reduzierter Bedarf an konventionellen Abformungen durch volldigitalen Workflow
Die digitale Hauptprobe – 3D-Gesichtsscan und Smile Design
„Das Gesicht formt die Zähne“ – dieser Leitsatz führte zur dreidimensionalen Gesichtserfassung. Die Bissregistrierung mit dem Face Hunter ist dabei wie die erste Kameraprobe am Filmset (Abb. 8a und b); sie definiert die Grundposition. Mit der präzise positionierten Bissschablone wurde die räumliche Beziehung zwischen Kiefer und Gesicht in allen drei Dimensionen erfasst. Der Smile Creator wurde zum digitalen Storyboard (Abb. 9a bis c). Mit ihm übertrugen wir die Regeln des goldenen Schnitts – das harmonische Verhältnis von 1:1,618 – auf die Frontzahngestaltung. Wie eine Kamerafrau, die verschiedene Perspektiven durchspielt, ermöglicht dieser Weg eine Analyse der fazialen Gegebenheiten. Die gewonnenen Daten sind mehr als digitale Vermessungen, sie sind ein Schlüssel zur harmonischen Integration der Zähne in die Gesichtsästhetik. Die Zahnreihe sollte einen freundlichen Bogen beschreiben, die Smile-Line parallel zur Unterlippenlinie verlaufen. Die präzise Bissregistrierung ermöglichte eine exakte Vorschau der späteren Situation. Im Smile Creator können wir alle Parameter präzise visualisieren und die perfekte Position der künftigen Frontzähne bestimmen (Abb. 10).
Wissenswert: Der Panthera Dental Master Cup
Der Master Cup von Panthera Dental, dem Hersteller und Dienstleister aus Quebec/Kanada, hat das Ziel, Zahntechniker oder Denturisten einzuladen, die sich mit den Besten messen möchte, indem sie für den Wettbewerb eine Totalprothese anfertigen. Wissen, handwerkliche Fähigkeiten, Funktion und Ästhetik werden anhand eines totalprothetischen Falls mit Implantatstegen bewertet. Eine Jury aus fünf Preisrichtern hat einen Tag Zeit, die Fälle zu bewerten. Alle Einreichungen sind anonymisiert, sodass die Preisrichter nicht wissen, welcher Fall zu wem gehört.
Panthera Dental engagiert sich mit höchsten Qualitätsstandards für die Entwicklung und Herstellung maßgefertigter Zahnersatzlösungen, Lösungen für schlafbezogene Atmungsstörungen sowie Produkte für die Implantologie unter Einsatz firmeneigener CAD/CAM-Prozesse, intelligenter Fertigung und hochwertiger Materialien. In Deutschland werden die Produkte vertrieben von der Vita Zahnfabrik, Bad Säckingen.
www.pantheradental.com/master-cup/
Die Vorproduktion: Technische Grundlagen
Als technische Basis für die prothetische Inszenierung lieferte das Panthera-Team die einzelnen Komponenten: die gedruckten Modelle, die Bissregistrierung und die Gerüste. Wie beim Film das Equipment die Grundlage für perfekte Aufnahmen bildet, sind diese Komponenten das Fundament für die prothetische Arbeit (Abb. 11 bis 15).
Als nächsten Schritt wurden Duplikatmodelle gefertigt (Abb. 16a und b). Wie beim Film Requisiten für verschiedene Szenen mehrfach vorhanden sind, benötigen wir in der Zahntechnik verschiedene Modelle für unterschiedliche Arbeitsschritte. Wir nutzen zudem gern ein Lippenschild aus Silikon. Dieses half auch hier dabei, mehr Informationen über das Zusammenspiel von Lippen, Wangen und Zähnen zu erhalten. Das anatomische Modell zeigt räumlichen Grenzen für die Zahnaufstellung und hilft, die rote und weiße Ästhetik aufeinander abzustimmen – quasi wie die Suche nach dem perfekten Bildausschnitt beim Film. Hingegen ist die Artikulation der Modelle wie die Choreografie einer Bewegungsszene – sie definiert die räumlichen Bewegungsbahnen und die Funktion (Abb. 17 bis 19).
Die Gerber-Analyse – Das statische Fundament
„Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen“ – die Modellanalyse nach Prof. Gerber bildet den zahntechnischen Grundriss. Sie definiert die statischen und dynamischen Parameter für eine funktionell Rehabilitation (Abb. 20 bis 25). Plot Twist: Wie es beim Drehen eines Films Komplikationen gibt, hält auch meine Analyse einen unerwarteten Moment bereit. Die Silikonabformung des Bissregistrats offenbarte, dass für die geplante Zahnaufstellung nicht ausreichend Platz zur Verfügung steht (Abb. 26). Diese Erkenntnis hätte bereits bei einem Backward Planning vor der Implantation berücksichtigt werden können. Die Zähne mussten nun weiter vestibulär positioniert werden – eine Herausforderung, die auch meine weitere Planung beeinflusst. Manchmal zwingen unerwartete Wendungen zu kreativen Lösungen.
Analyse, Planung und Vorbereitung waren nun abgeschlossen, die eigentliche Inszenierung bzw. Produktion konnte jetzt beginnen. Die einzelnen Schritte der Umsetzung hin zum perfekten Lächeln für Menaka S. zeigen wir Ihnen in Teil 2.
Vita
Patricia Strimb begann 2020 ihre Ausbildung zur Zahntechnikerin im Dentallabor Drachenberg in Augsburg. 2021 setzte sie diese im Labor Highfield.Design von Norbert Wichnalek in Augsburg fort und schloss ihre Lehre dort 2023 ab. Bereits 2022 besuchte sie Fortbildungen in den Bereichen Keramik, Prothetik, Morphologie, Dentalfotografie und digitale Zahntechnik und publizierte in diversen Fachzeitschriften. 2023 errang sie den 1. Platz beim Kuraray Noritake Award und den 2. Platz beim Vita Excellence Award. Nach Abschluss ihrer Berufsausbildung 2023 hielt sie ihren ersten Vortrag beim Pragai Geza I. Karpat-Medencei Kongresszus in Szeged/Ungarn und wurde Gewinnerin des Panthera Master Cups. Seit 2023 ist sie Referentin für die Firma Vita und bildet sich im In- und Ausland laufend fort.